Des Herrschers liebster Diener Des Herrschers liebster Diener: Preußen will die Ananas
Potsdam/MZ. - Der Hofgärtner war nicht einfach nur ein Gärtner, sondern er war der Aristokrat unter den kleinbürgerlichen Angestellten eines Hofstaates. Vom Ende des 17. Jahrhunderts an bis 1918 verfügte so ein Pflanz- und Zuchtmeister vergleichsweise herrlich über eine Schar von Mitarbeitern.
Gesellen, Lehrlinge und Tagelöhner gingen ihm zur Hand, die der Hofgärtner auf Rechnung seines Herrn bezahlte. Ihm selbst stand sehr oft privates Personal zur Seite: Diener, Schreiber, Köchin. Man war also wer und nicht etwa "jemand", wenn man das schöne Amt des Hofgärtners bekleidete. Der preußische Hofgärtner Joachim Arndt Salzmann zum Beispiel hinterließ um 1800 ein Vermögen von 40 000 Talern. Ein Taler entsprach einer Kaufkraft von 60 Euro.
Wer waren diese Besserverdiener? Und wie wurden sie, was sie werden sollten: Lieblinge der regierenden Fürsten, die um 1800 ihre Gärten als Gesamtkunstwerke pflegten? Wer auf diese Fragen eine Antwort sucht, muss nach Potsdam reisen, dorthin, wo es so sehenswert Richtung Berlin ausfranst. Links der Jungfernsee, rechts die Glienicker Lake, die legendäre Spionage-Brücke inmitten und das klassizistische Preußen im Busch.
Schloss Glienicke zeigt die Schau "Preußisch Grün", die den Hofgärtnern gewidmet ist und den Gartendenkmalpflegern als deren Nachfolgern in der Jetztzeit. Und auch wem das Hofgärtnerische herzlich egal ist, der kann hier den Spätsommer in vollen Zügen genießen, kann ausschreiten Richtung Potsdam, hin zum Neuen Garten oder zum Schloss Babelsberg, es liegt ja alles verblüffend nah beieinander. Und die Ausstellung findet im Glienicker Schlösschen, das für sich bereits jeden Ausflug wert ist, nur ihr Hauptquartier. Nicht allein an Personen erinnert diese Schau, sondern auch an Orte, die nach 1989 aus der Grenzlandschaft zurückgewonnen wurden. Schloss und Park Sacrow zum Beispiel, die Lennésche Bucht samt Rosentreppe am Havelufer, das Villenviertel westlich vom Neuen Garten, in denen der sowjetische Geheimdienst sein "Städtchen Nummer 7" betrieb. Schloss Glienicke also, von 1824 an von Prinz Carl von Preußen (1801-1883) zu einer antikischen Museums- und Wohnlandschaft ausgebaut, ist Ausstellungsort und Schaustück zugleich; Lennés englischer Garten - 60 Jahre jünger als die Wörlitzer Anlagen - erholt sich sichtbar von seiner Zonenrandlage. Die Schau zeigt, was die Hofgärtner lernten, wohin sie reisten, mit wem sie verkehrten, was sie pflanzten, zeichneten, schrieben und wie sie lebten -, nämlich doch recht nobel auf Kosten ihrer Herren.
Der Materialreichtum der Ausstellung darf erstaunen, hat aber seine Gründe. Wo ein erfolgreicher Hofgärtner sein Amt antrat, stand er nicht selten am Beginn einer Gärtnerdynastie, die sich bis ins 20. Jahrhundert fortpflanzte: in Preußen mit den Namen Fintelmann, Nietner, Salzmann und Sello, in Anhalt-Dessau mit den Schochs und Eyserbecks. Mehr als 200 namentlich nachweisbare Hofgärtner hat es bis 1918 in Preußen gegeben, der berühmteste war Peter Joseph Lenné (1789-1866). Lehr- und Reisezeit gingen ineinander über, man sammelte im Ausland Pflanzen und Anregungen; nicht selten waren die Hofgärtner hervorragende Planzeichner.
Mess- und Zeichengeräte sind in Glienicke zu sehen, plakatgroße Gesellenbriefe, taschenbuchdicke Reisepässe. Und welche Logistik die Gaumenlust der Herren freisetzte: Seit 200 Jahren waren aufwändig Bananen und Orangen zu ziehen; die Ananas galt als Königsfrucht, in der Wärme von Mistpackungen aufgepäppelt. Mit der Monarchie fiel die deutsche Ananaszucht: Von 1918 an ernährten sich die abgedankten Herrschaften aus dem Kolonial-Obsthandel.
Schloss Glienicke: Bis 18.10., tgl. außer Mo. 10-18 Uhr; Katalog, 352 Seiten, 26 Euro