Flüstern und Schreien Der irische Folkmusiker Glen Hansard begeistert in Halle - ein Konzertereignis

Halle (Saale) - Es ist vorbei, als es losgeht. Nach anderthalb Stunden tritt der irische Musiker Glen Hansard am Donnerstagabend von der Bühne der halleschen Ulrichskirche ab. Doch der 47-Jährige, seit seinem Auftritt im Film „Once“ und dem Oscar für den Filmsong „Falling Slowly“ ein Weltstar, verschwindet nicht.
Nein, Hansard, vor dem großen Ruhm als Straßenmusiker unterwegs, stiefelt ins dunkle Seitenschiff des ehemaligen Gotteshauses. Hier setzt er sich an einen Flügel, der zum Inventar gehört. Und während das bis dahin gebannt sitzende Publikum nach vorn drängt, um den ehemaligen Kopf der Band The Frames von Nahem zu sehen, steigt Hansard in eine ganz und gar unplugged gespielte Version seines Klassiker „The Storm, it’s coming“ ein.
Noch einmal Gänsehaut an einem Konzertabend, der an emotionalen Höhepunkten reicher ist als die meisten Stadionkonzerte. Glen Hansard, der mit 13 beschloss, nicht mehr zur Schule zugehen, sondern Straßenmusik zu machen, ist ein mit allen Wassern gewaschener Entertainer. Vom ersten Song an packt er die Fans in der ausverkauften Halle.
Und er lässt sie nicht mehr los. Ob „Time will be the healer“, das von leiser Verzweiflung zu kochender Wut und zurück springt, beim alten Frames-Stück „What happens when the heart just stops“ oder bei „When your mind's made up“, das er damals mit seiner Filmpartnerin Markéta Irglová für „Once“ geschrieben hatte - der bärtige Ire wechselt zwischen Flüstern und Schreien, zwischen sanftem Zupfen auf der Gitarre und brachialen Schlägen auf Holz und Saiten. Woher die berühmte Takamine-Gitarre, die Hansard in „Once“ spielt, das klaffende Loch auf der Vorderseite hat, ist klar: Der Mann aus Dublin hat das Holz schlicht durchgespielt
Glen Hansard in Halle: Spaßvogel mit sichtlicher Freude an der Musik
Auf einem Hocker sitzend traktiert er nun das Nachfolgemodell, immer wieder unterbrochen von anrührenden Geschichten wie die über den jungen Obdachlosen, der ihm sein Leben erzählte. „Ich habe sein Schicksal gereimt“, sagt Hansard und setzt sich für das noch unveröffentlichte „Shelter me“ ans Klavier.
Wenn er singt, mal im brummigen Bass, mal in greller Kopfstimme, wird es ganz still im Saal. Bis Glen Hansard die andächtige Stimmung bricht. „Das nächste Stück“, sagt er, „widmete ich dem Tänzer, den ich heute hier auf dem Markt gesehen habe.“ Er sei sich nicht sicher, ob der in Halle als „Tanz-Opa“ bekannte Rentner für Geld tanze wie er früher Musik gemacht habe. „Aber ich mag ihn“, schmunzelt Hansard, ehe er ein paar schlackernde Tanzbewegungen nachlegt.
Ein Spaßvogel, der mit sichtlicher Freude auf der Gefühlsklaviatur spielt. Als Künstler, den die Idee von Popmusik als Konsumgut erklärtermaßen nicht interessiert, singt er seine Schmerzenshymne „Bird of Sorrow“ mit genau soviel Inbrunst wie er Woody Guthries „Vigilante Man“ aus der Ukulele wringt - mit ein paar galligen Reimen auf US-Präsident Donald Trump vorsichtig modernisiert. Zum vermeintlichen Höhepunkt dann „Falling slowly“, eines der schönstes Liebeslieder, das jemals geschrieben wurde, und ein wie hingehauchter Publikumschor bei „Her Mercy“.
Als dann alle denken, das sei es nun gewesen, sitzt Hansard am Flügel. Und als er dort fertig ist, folgen weitere sieben Lieder, bei denen Ex-Frames Gitarrist Rob Bochnik und das blutjunge irische Duo The Ocelots ihn unterstützen. Die Mikrophone bleiben aus. Glen Hansard singt jetzt wie früher auf der Straße: Unplugged. (mz)