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«De Randfichten» «De Randfichten»: Geister scheiden sich am Phänomen des «Holzmichl»

Von Peter Dietrich 30.12.2004, 08:07

Chemnitz/dpa. - «Wir haben den "Holzmichl" ja schon seit zwölf Jahren im Programmund hätten nie gedacht, dass er mal so ein Hit wird», sagt Michael(«Michl») Rostig (Akkordeon, Keyboards, Gesang). Jahrelange Auftrittewaren die Grundlage des Erfolges. «Durch das Fernsehen undüberregionale Auftritte wurde es eine Art Kultlied, bei dem dasPublikum so richtig mitmachen kann, und Kult steckt bekanntlich an.»

Der Ohrwurm über den alten Waldschrat, der immer noch lebt, wirdheiß geliebt und mittlerweile ebenso innig gehasst. Nach demGassenhauer wird auf Mallorca getobt, in Österreich und der Schweizwird er rauf und runter gespielt, selbst in Kanada kennt man ihn. DerHolzmichl hat sogar die Justiz aus Gründen des Markenschutzesbeschäftigt. Im nicht gerade prosperierenden Erzgebirge sind dieLeute stolz auf die Band. Die «Randfichten», sagen sie, seiengeblieben, was sie immer waren: «Jungs von uns».

Im Konzert sind weißes Hemd, Kniebund-Lederhose und rote Sockenmit Bommeln das Markenzeichen der «Randfichten». Die Themen deranderen Lieder sind schnell auf einen Nenner gebracht: Es dominiertdas «Arzgebirg» (Erzgebirge) in all seiner Schönheit. Bei einem derletzten Konzerte des Jahrgangs 2004 in der Chemnitzer Stadthalle kurzvor Weihnachten ging es vor allem um Pyramiden, Schwibbogen,Räuchermännel und das Skifahren. Von Anfang an ist Mitklatschen undbei jedem zweiten, dritten Lied Schunkeln angesagt. Bei den langsamenTiteln werden wie in jedem Rockkonzert Leuchtstäbe geschwenkt.

Zwischendurch legen weibliche Fans am Bühnenrand ihren dreiLieblingen Teddybären, Blumen, Süßigkeiten und andere kleineAufmerksamkeiten zu Füßen. Dicht umlagert ist am Ende des Konzertsder «Rafi-Shop» mit seinem Angebot an CDs, Kassetten, DVDs, Videos,Basecaps, Rucksäcken, Aufklebern, T-Shirts, Kalendern und anderenDingen. Für einen in Zinn gegossenen Holzmichl sind immerhin stolze22 Euro zu berappen.

Der Leipziger Musikwissenschaftler Klaus Mehner ist der Ansicht,der Song erzeuge «eine Art von Wärme». Aus solcher Musik spreche«eine gewisse Urtümlichkeit», dazu komme ein schnell einprägsamerText. Mit Blick auf die hohe Arbeitslosigkeit und soziale Konfliktesagt er: «In solchen Situationen suchen die Menschen nicht dieKunstformen, die ihre Probleme aufarbeiten, da zieht dann eher dasnicht so Anspruchsvolle.»

Jazzdrummer-Legende Günter «Baby» Sommer gesteht dem Holzmichldurchaus «eine verbindende soziale Komponente» zu. Aber ansonstenkann der Prorektor für Künstlerische Praxis der MusikhochschuleDresden dem Song partout nichts abgewinnen: «Es werden ganz simpleInstinkte auf Basis von Polka und Walzer und das rhythmischePotenzial beim Hörer angesprochen.» Auch die Rolle der Medien, die ersich stärker als Verbündete für seriöse Kunstgattungen wünscht, siehter sehr kritisch: «Sie pulvern solche Sachen hoch und geben ihneneine Bühne, die sie eigentlich nicht verdienen.»

Dennoch: Anfang Februar stieg der Song in die Media Control Chartsein und arbeitete sich von Position 35 bis Juli auf Rang 3 vor. Der«Holzmichl»-Song liegt nach 48 Wochen Dauerpräsenz in den Single-Charts immerhin noch auf Platz 38. Über die Ladentische ging er lautPlattenfirma EMI bislang mehr als 550 000 Mal - bei 600 000verkauften Exemplaren winkt Doppelplatin. «Mit Unterstützung durchden Karneval könnte das im Februar passieren», sagt EMI-Produktmanager Marc Zumkeller. Das neue Album des Trios soll imSommer 2005 auf den Markt kommen.