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DDR-Literatur DDR-Literatur: Peter Sodann schaltet Notruf im Internet

Von Sandra M. Hänel 08.12.2009, 09:56
Peter Sodann, Gründer der Peter Sodann Bibliothek e.V., hat mit dutzenden Helfern in Merseburg bislang rund 180 000 Bücher gesammelt und sucht nun ein neues Domizil. (FOTO: DPA)
Peter Sodann, Gründer der Peter Sodann Bibliothek e.V., hat mit dutzenden Helfern in Merseburg bislang rund 180 000 Bücher gesammelt und sucht nun ein neues Domizil. (FOTO: DPA) dpa-Zentralbild

Merseburg/ddp. - Auf seiner Homepage (petersodann.de) hat derSchauspieler einen Spenden-Notruf geschaltet. Er sei an einen«Grenzwall» geraten, sagt er in seiner Videobotschaft mit gefaltetenHänden und gesenktem Blick. Der Grund ist die«Peter-Sodann-Bibliothek» mit 160 000 Büchern. Seit 19 Jahren sammeltder Schauspieler alle Bücher, die nach dem Krieg bis zur Wende imOsten Deutschlands erschienen sind. Nun sucht er nach Unterstützung,um die Sammlung dauerhaft unterbringen zu können.

Ihr bisheriges Domizil platzt laut Sodann «aus allen Nähten». Ineiner ehemaligen Kindertagesstätte mit Turnhalle in Merseburg stapelnsich unzählige Kartons. Sie türmen sich an den Wänden, und auf denTischen in der Halle breiten sie sich meterlang aus. Kinderbüchersind zu finden, auch Klassiker von Goethe und Schiller. Sie liegenebenso in Bananenkisten wie Bertolt Brechts «100 Gedichte» und «DiePest» von Albert Camus.

Es ist feucht und kalt in der Turnhalle. «Viel zu feucht für dieBücher», sagt Sodann. «Überwintern» ginge gerade noch. Doch er hoffe,so schnell wie möglich mit seinem Notruf einen Gönner zu finden unddamit einen trockenen und warmen Raum für seine Bücher. In derKindertagesstätte sind laut Sodann 140 000 Bücher bereitselektronisch erfasst und katalogisiert worden. Dabei helfen zehnMitarbeiter, die dort als Ein-Euro-Jobber arbeiten.

Wenig Probleme bereitet es ihm auch, seine Sammlung zu erweitern.Er bekomme viele Werke zugeschickt oder hole sie manchmal auch vonden Spendern zu Hause ab. Erst in der vergangenen Woche sei er inKöthen und in Westdeutschland gewesen, um ein paar DDR-Büchereinzusammeln. «Sie kommen von überall her», berichtet Sodann. Erschätzt, dass eine halbe Million verschiedene Publikationen in derDDR erschienen sind, Fachliteratur nicht mitgerechnet.

Vorrangig sammelt der Schauspieler Belletristik, Lyrik,Kinderbücher, aber auch Schulbücher wie die Lesefibel «Von Tieren undMenschen» aus dem Jahr 1945. Sodann möchte die Literatur für dienachfolgenden Generationen aufbewahren, «wenn die Enkel mal fragen,was habt ihr in den Jahren der DDR eigentlich gemacht?», sagt der73-Jährige, der im Mai für die Linke bei der Wahl zumBundespräsidenten angetreten war.

Entstehen solle eine Leihbibliothek, die auch fürwissenschaftliche Zwecke genutzt werden könnte, erklärt er. Dietraditionsreiche Verlagsstadt Leipzig «wäre ein guter Ort» dafür,sagt Sodann weiter. Aber er wäre auch für jeden anderen Standortdankbar, der seine Bücher und damit «sein Leben», wie er sagt,überleben ließe.

In Halle, wo er die «Kulturinsel» aufbaute und jahrelang das NeueTheater leitete, scheint Sodann keine Unterstützer für sein Vorhabenfinden zu können. «Die räumlichen Verhältnisse bei uns sind leidersehr beschränkt», sagt Hildegard Labenz, Leiterin der StadtbibliothekHalle. In Merseburg, wo derzeit noch die Bücher lagern, hält man sichbedeckt. Oberbürgermeister Jens Bühligen (CDU) wollte sich zunächstnicht äußern.

Sollte Peter Sodann keine neue Unterbringung finden, könnte dieBücher doch noch das Schicksal ereilen, vor dem er sie eigentlichbewahren wollte. Als kurz nach dem Ende der DDR Tausende Bücher aufdem Müll landeten, habe er sich gefühlt, als werde «mein Lebenweggeworfen», schildert er seine Gefühle von damals. Der Großhandel,Bibliotheken, Institutionen, auch Privatleute trennten sich von denEditionen der DDR-Verlage. Sodann schätzt, dass bis zu 150 MillionenBücher auf den Müllkippen gelandet sind.