«Crow Jane Alley» «Crow Jane Alley»: Willy DeVille verbeugt sich vor dem Blues
Halle/MZ. - Wer sagt eigentlich, dass man sich im Herbst nicht verlieben könnte? Mann kann. Zum Beispiel in das eben veröffentlichte Album "Crow Jane Alley" (Eagle Rock) von Willy DeVille. Fünf Jahre nach der letzten Studioplatte meldet sich der ewig neu entdeckte Star mit zehn großartigen Songs zurück, die dem Rock-Himmel ein paar neue Lichter aufstecken.
Willy DeVille ist ein grandioser Verschwender, der mit dem Kanon der populären Musik nach Belieben spielt. Nehmt es hin, Leute - fast schon hochmütig erscheint die beiläufige Geste, mit der er seine Asse auf den Tisch blättert, wäre da nicht auch ein deutlich ironischer Zwischenton. Zugleich reißt sich der Exzentriker vor aller Augen die Brust auf und verbeugt sich vor dem bodenständigen Blues.
Wie das alles auf eine Platte passt? Beim ersten Hören nimmt man sich vor, genau das noch tiefgründig zu hinterfragen, beim zweiten stellen sich schon Antworten ein, beim dritten beginnst du zu genießen.
Höchst raffiniert steigt Willi DeVille ein, "Chieva" schleppt sich scheppernd und schrammelnd über die ersten Takte - so, als wären Musiker und Sänger eben bei einem Nickerchen auf der Veranda gestört worden und hätten zum Wachwerden mit Tequila gegurgelt. Aber dann fasst das Latino-Stück allmählich immer fester Tritt. Wenn Groove etwas mit Seele zu tun hat, hier kann man sie spüren: mit allem Pathos und allem Schmerz. Atemberaubend schön.
Dann poltert "Right There, Right Then" fröhlich aus den Boxen. Jetzt mache ich euch den Springsteen, meldet der Künstler mit listig zugekniffenem Auge. Knackigen Rock spielt er natürlich aus dem Effeff, der schwere Blues ist ihm heilig. Das hört man in "Muddy Waters Rose Out Of The Mississippi Mud" - ebenso innig gespielt wie das Titelstück "Crow Jane Alley", das er seinem Freund Jack gewidmet hat.
Innig ist überhaupt das Schlüsselwort. Es mag altmodisch klingen, aber es passt. Außerdem ist Willy DeVille schon über die Fünfzig. Da sind die Eitelkeiten andere. Und man kann alles zum Punk erklären. Auch davon erzählt die Platte: von der Freiheit, sich im Entdecken treu zu sein. "Slave To Love" nach Bryan Ferry ist ein hinreißender Heuler, beim finalen "Trouble Comin' Every Day In A World Gone Wrong" ärgert man sich nur über eines: Dass der Meister kein Doppelalbum ausgereicht hat. Aber das tut der Liebe keinen Abbruch.