Comics Comics: Anike Hage ist ein Star der Manga-Szene

Wolfenbüttel/dpa. - Unbemerkt von den meisten Menschenüber 25 hat sich unter Jugendlichen ein Kult um japanische Comicsentwickelt. Manga machen inzwischen 70 Prozent des Comicmarktes inDeutschland aus. Die meisten Autoren kommen immer noch aus Fernost,Anike Hage aus dem niedersächsischen Wolfenbüttel gehört zu den vielversprechenden deutschen Nachwuchstalenten.
Gerade ist der zweite Band ihres Manga «Gothic Sports» erschienen.Der Comic erzählt, wie eine Mädchen-Clique an einem Gymnasium einneues Fußballteam gründet. «Jeden Tag sitze ich mindestens achtStunden am Schreibtisch und zeichne», erzählt Anike Hage in ihremprovisorischen Arbeitszimmer im Elternhaus und fügt entschuldigendhinzu: «Ich hatte noch keine Zeit auszuziehen und mir ein richtigesAtelier einzurichten.»
So denkt sie sich zwischen Bügelbrett und Blumenampeln ihrerMutter Geschichten aus, die bereits ins Französische undAmerikanische übersetzt wurden. In schwarz-weiß gezeichnete Szenenaus dem Schüleralltag mit starken Charakteren, viel Action und Gefühlsowie ungekünstelten Dialogen. Bei der Zielgruppe der 13- bis 16-Jährigen kommt das an. Mehr als 10 000 Exemplare hat ihr VerlagTokyopop vom ersten Band verkauft.
Wie um die Manga in Japan entwickelt sich auch um «Gothic Sports»eine Fankultur, vergleichbar mit der Verehrung für Popstars oderFiguren aus Fantasy-Filmen. Zur Leipziger Buchmesse im März werden amStand ihres Verlages wohl wieder kostümierte Mädchen erscheinen, diedie ausgefallenen Trikots des Fußballteams «Gothic Sports»nachgeschneidert haben. Im vergangenen Jahr war das jedenfalls so.
Anike Hage freut sich über den Zuspruch, aber sie bewahrt Distanz.Vielleicht weil sie selber nie so eine Art von Fan war. Auch keingrell geschminkter Teenager, sondern eher der Typ, der etwas abseitsstand und beobachtete. Ein zurückhaltendes Mädchen, das gern Fußballspielte und sich durch Schlagfertigkeit Respekt verschaffte. «Schonin der Grundschule habe ich ständig gezeichnet», erzählt sie. Mit 14hielt Anike Hage zum ersten Mal ein Mangaheft in den Händen. Sie warfasziniert vom Stil und Fluss der Geschichte. Von jetzt an kopiertesie japanische Comics und versuchte, alles über Japan herauszufinden.
«Die Comics haben der Japanologie einen großen Zulauf an Studentengebracht», berichtet Bernd Dolle-Weinkauff vom Deutschen Institut fürJugendbuchforschung in Frankfurt am Main. Der Germanist forscht ineinem europäischen Projekt über Manga und ist in gewisser Weise auchein Fan. Manga seien mittlerweile eine ernst zu nehmende Sparte desJugendbuches, sagt Dolle-Weinkauff. Tiefe Konflikte von Jugendlichen,manchmal sogar Selbstmordgedanken, würden ehrlich angesprochen und ineinigen Heften auch rabiat ausgetragen. Die Ästhetik entspreche derdurch neue Medien veränderten Wahrnehmungsart. «Manga sind keineModeerscheinung, sondern zeigen den Prozess kulturellerGlobalisierung», erklärt der Wissenschaftler.
Anike Hages Figuren haben europäische Gesichtszüge. Die Mädchen-Clique in ihren Büchern trifft sich vor Häuserzeilen im Fachwerkstil,die an ihre Heimat Wolfenbüttel erinnern. Auf Teenager in Asienwerden die Fassaden wohl sehr exotisch wirken, wenn «Gothic Sports»demnächst ins Japanische übersetzt wird. «Wir machen bei einemrelativ neuen Projekt mit», erklärt Joachim Kaps, der Verlagsleitervon Tokyopop. «Japanische Leser können sich demnächst auch AnikesManga aufs Handy bestellen.» Anike Hage muss lachen, wenn sie auf dasProjekt angesprochen wird: «Das wird doch nie funktionieren! Werliest denn Comics auf dem Handy?» Die junge Zeichnerin bleibtbodenständig - das hat ihr bisher nicht geschadet.
