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Linkin Park Chester Bennington (?41): In einer Reihe mit Brian Jones und Kurt Cobain

Von Andreas Montag 21.07.2017, 14:04
Chester Bennington am 7. Juni 2014 bei  „Rock am Ring“.
Chester Bennington am 7. Juni 2014 bei  „Rock am Ring“. dpa

Halle (Saale) - Fragil wirkte er, trotz seiner enormen Stimme und der starken Bühnenpräsenz. Man hätte es ahnen können, sagt man sich hinterher. Aber hinterher ist eben immer zu spät. Und wenn sich Menschen, die dem Sänger der Rockband Linkin Park nahe standen, um ihn gesorgt haben - sie haben offenbar nichts vermocht gegen die Macht des Dunklen, das in jedem von uns lebt - wenn auch von vielen zum Glück beherrscht. Andere holen sich Hilfe, bei Ärzten und in Selbsthilfegruppen, auch Chester Bennington (41) hat das versucht. Und er hat offen über seine Drogensucht und über seine Depressionen gesprochen.

Nun ist er tot, am Donnerstag hat man ihn in seinem Haus in Los Angeles gefunden. Er starb offenbar von eigener Hand, sagen die Ermittlungsbehörden. Zuletzt, im Mai dieses Jahres, war Benningtons Freund und Kollege Chris Cornell, der Sänger der Band Soundgarden, diesen schrecklichen Weg gegangen.

Wir gestalten unsere Berichterstattung über Suizide und entsprechende Absichten bewusst zurückhaltend und verzichten, wo es möglich ist, auf Details. Falls Sie sich dennoch betroffen fühlen, lesen Sie bitte weiter:

Ihre Gedanken hören nicht auf zu kreisen? Sie befinden sich in einer scheinbar ausweglosen Situation und spielen mit dem Gedanken, sich das Leben zu nehmen? Wenn Sie sich nicht im Familien- oder Freundeskreis Hilfe suchen können oder möchten – hier finden Sie anonyme Beratungs- und Seelsorgeangebote.

Nun nehmen die Dinge ihren ritualisierten Lauf, es ist eigentlich banal, aber unaufhaltsam. Die Medien werden es zu berichten haben, das gebietet die Chronistenpflicht: Nach den Trauerbekundungen der Musikerkollegen („Wirklich das eindrucksvollste Talent, das ich jemals live gesehen habe. Stimmenbestie“, schrieb R&B-Sängerin Rihanna auf Instagram) werden die CD-Verkäufe und Downloads weltweit emporschnellen.

Dann wird der Fall zu den Akten gelegt, auf dem Deckel steht: Der Rock und der Tod. Die Fans des Sängers werden noch eine Weile mit ihrer Gänsehaut zu tun haben. Zumal jene, die ihn auf der Bühne erlebt haben. Und die Kinder, sechs immerhin, die Chester Bennington hinterlässt, werden ihren Vater vermissen. Aber das ist immer so nach Todesfällen. Privatsache, nach der sonst auch kaum ein Hahn kräht.

Natürlich entzündet ein tragisches Schicksal wie das von Bennington auch erneut die Debatte um die Kälte und Einsamkeit auf den Gipfeln der Popularität. Ein Thema, das ein bisschen morbid und deshalb so sexy ist. Eine Diskussion über Kälte und Einsamkeit in der Gesellschaft überhaupt wird das aller Erfahrung nach nicht in Gang bringen.

Denn das ginge an die Substanz aller, die sich selbst für ihren Erfolg und ihren Wohlstand feiern, ohne denjenigen, die bei der Achterbahnfahrt ins Glück aus der Kurve geflogen sind, sonderlich viel Beachtung zu schenken. Für die Verlierer sind die Wohlfahrtsverbände da, die Kirchen auch. Wenn keiner mehr hilft, ist Gott gefragt. Oder, wie der Deutschrocker Udo Lindenberg es so unübertrefflich ausgedrückt hat: „Immer lustig und vergnügt, bis der Arsch im Sarge liegt“. Schnoddrig, aber wahr.

Die Traurige Kindheit von Chester Bennington

Bei Chester Bennington lag der Fall eindeutig anders: Er war schon als Kind nicht vergnügt, und er hatte auch wenig Anlass, es zu sein. Er litt unter der Trennung der Eltern, war hin- und hergerissen zwischen Vater und Mutter, die sich wohl beide kein Bein für ihren Sohn herausgerissen haben. Zudem ist er als Junge von einem Bekannten sexuell missbraucht worden, offenbar über mehrere Jahre hinweg. Wie viele Opfer solcher Gewalttaten hat Bennington erst spät darüber sprechen können.

Dass der am 20. März 1976 in Phoenix im US-Staat Arizona Geborene schon als junger Mann eine beängstigende Alkohol- und Drogenkarriere vorzuweisen hatte, die mühelos für das Jenseits gereicht hätte, nimmt angesichts dieses biografischen Hintergrunds nicht wunder.

Und dann kommt die Karriere, zeitweilig als Sänger zweier berühmter Bands. Neben Linkin Park waren auch die Stone Temple Pilots Arbeitgeber von Chester Bennington. Der suchte indes, wie es vielen geht, die Liebe vermissten, auch nach der Erfüllung im Privaten. Sechs Kinder, geboren von zwei Frauen, hinterlässt der Sänger. Und eine Lücke in der Manege des Rock-Zirkus, die man noch lange spüren wird.

Chester Bennington (✝41): In einer Reihe mit Brian Jones und Kurt Cobain

Was nicht zu erwarten ist: Die große Einkehr nach dem Entsetzen. Die Show muss weitergehen. Und der Tod fährt immer mit auf der Geisterbahn. Das macht die Sache für viele ja so geil, auch wenn das keiner  zugeben will. Die Branche und die Fans hätten schon 1969, nachdem der von seinen Band-Kollegen gefeuerte, drogensüchtige Rolling-Stones-Mitgründer Brian Jones gestorben war, umdenken können.

Auch 1994 wäre ein guter Zeitpunkt zum Innehalten gewesen. Kurt Cobain, der Nirvana-Sänger, hatte sich in  Seattle in den Kopf geschossen. Auch er war drogenabhängig. Und ein Scheidungskind wie  Bennington. Beiden war die Last des einmaligen, wunderbaren Lebens zu groß geworden. (mz)