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Byung-Chul Han Byung-Chul Han: Philosoph der Freundlichkeit

Von Michael Hesse 09.11.2014, 17:42

Köln - Han sagt, wir leben in einer Müdigkeitsgesellschaft. Seit 30 Jahren lebt er in Deutschland und beobachtet und denkt. Er sieht Menschen, die sich allein und müde fühlen. Und er denkt wie ein Dichter darüber nach, dass das Leben mit Bedacht gelebt und nicht an Schnickschnack vergeudet werden soll. Byung-Chul Han ist einer der derzeit angesagtesten Philosophen in Deutschland. Vor allem seit seinem Buch „Müdigkeitsgesellschaft“, das 2010 erschienen ist, wird er von mehr und mehr Menschen gelesen. Die Bücher gehen weg wie warme Brötchen.

Sein Erfolg besteht in seinem Untersuchungsgegenstand: Er ist der Deuter des erschöpften Selbst.

Und da immer mehr Menschen zu viel von Hast und Hatz im Leben haben, sich nach Ruhe und Entspannung sehnen, lesen sie Denker wie Han, wo sie Trost und Rat finden. Kein Wunder, Philosophie ist für Han wie soziales Yoga. Er sagt Sätze wie „Leben ist Geist“. Und wenn man seine Gedanken liest, entweicht einem unwillkürlich ein tiefes „Om“.

Han selbst sich als eine Art Alchemist an. Seit 30 Jahren lebt er in Deutschland, seit 2012 lehrt er Philosophie an der Universität der Künste Berlin. Geboren wurde Han in Seoul in Südkorea. Immer noch wundert er sich über die Unterschiede der Kulturen, warum die Deutschen das Essen nicht wertschätzen, während es in Fernost nichts Wichtigeres gebe. Sein Denken richtet sich nach Osten und Westen gleichermaßen. Eine fabelhafte Einführung in den Zen-Buddhismus stammt aus seiner Feder.

Technikfreak mit Hang zum Basteln

Menschen, die ihn treffen, sagen von ihm, dass er nie ausfallend, immer sympathisch sei. Er ist einer von den Menschen, denen man gleich die Hand schütteln will. Früher habe er als Kind gerne gebastelt, verriet er in einem Gespräch mit der „Zeit“. „Ich bin ein Technikfreak. Ich habe als Kind leidenschaftlich gebastelt, an Radios und anderen elektronischen und mechanischen Geräten. Eigentlich wollte ich Elektrotechnik oder Maschinenbau studieren, aber dann wurde es Metallurgie. Ich war wirklich ein begeisterter Techniker und Bastler.“

„Aber vom Tag der Explosion an habe ich aufgehört“, sagt er, denn irgendwann ging etwas schief in seinen Experimenten. „Denken ist die gefährlichste Tätigkeit, vielleicht gefährlicher als die Atombombe“, sagt er. „Es kann die Welt verändern.“ Daher habe Lenin ja auch gesagt: „Lernen, lernen, lernen!“ Auch das Denken könne zur Explosion führen.

Han studierte in München Philosophie. Um die Welt besser zu verstehen, stellte er sich auf die Schultern des deutschen Meisterdenkers Martin Heidegger. Über ihn schrieb er seine Doktorarbeit. Und von ihm nahm er auch einen starken Schuss Pessimismus mit auf den Weg. „Wie kann man in dieser falschen Welt gern sein?“, fragt er. „Das geht nicht. Deshalb bin ich auch nicht glücklich. Ich verstehe die Welt oft nicht.“ Sie erscheint ihm, dem Philosophen, absurd. Im Absurden könne man nicht glücklich sein. „Fürs Glück braucht man, so denke ich, viel Illusion.“

„Wir beuten uns selbst aus“

So spricht kein Philosoph der Aufklärung. Kant oder Hegel würden so nicht reden. Han schon. Und damit bedient er einen gewissen Kulturpessimismus der Deutschen, die sich gerne nach dem Fernen sehen, um dem Nächsten zu entfliehen. In Hans Büchern heißt es, dass wir in einer Diktatur des Neoliberalismus leben. „Im Neoliberalismus ist jeder von uns Unternehmer seiner selbst“, schreibt er seinem neuen Buch „Psychopolitik: Neoliberalismus und die neuen Machttechniken“ (Fischer-Verlag). Wer ihn liest, wird zunächst in einer düstere Stimmung versetzt. Und dann auch wieder in optimistische Heiterkeit. „Wir beuten uns selbst aus, wir riskieren nichts, weder in der Liebe noch in der Politik, wir wollen nicht verletzt werden und nicht verletzen“, sagt er. Und verweist uns dann wieder auf die wesentlichen Dinge der menschlichen Existenz. Dass Geld nicht alles sei, sondern vielmehr nichts. Dass das Leben der Konsumkultur eine Illusion sei, dass wir in eiern Transparenzgesellschaft leben, in der alles viel zu glatt, zu schnell und zu kontrolliert läuft.

Und dann ist er doch wieder der Philosoph des freundlichen Denkens, der uns sagt, wie schön die Erkenntnis sei, „dass es dich gibt“.

Innehalten solle man, lautet Hans Imperativ, und das Schöne bedenken. Sein nächste Buch soll genau davon handeln. Vom Schönen.