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Bühne Naumburg Bühne Naumburg: Stefan Neugebauer sucht neue Spielstätte

Von Kai Agthe 26.05.2016, 20:05
In seiner zweiten Spielzeit geht Intendant Stefan Neugebauer der Frage nach „Was ist Wahrheit?“.
In seiner zweiten Spielzeit geht Intendant Stefan Neugebauer der Frage nach „Was ist Wahrheit?“. Torsten Biel

Naumburg - „Was ist Wahrheit?“, fragt Stefan Neugebauer. Eine Antwort erwartet er von seinem Gegenüber aber nicht. Denn die durch den biblischen Pilatus ins Menschheitsgewissen gepflanzte Frage bildet das Motto für die neue Spielzeit des Theaters Naumburg.

Eine überzeugende Erklärung, was denn Wahrheit sei und wer sie formulieren könne, kann ohnehin nicht gegeben werden. Jedoch ist die Kunst, auch die darstellende, in der vorteilhaften Lage, Erklärungsangebote machen zu können.

Zweite Saison für Neugebauer

Für Neugebauer, der aus Berlin nach Naumburg wechselte, beginnt bald die zweite Saison am kleinsten Stadttheater Deutschlands. Vor genau einem Jahr stellte er als Nachfolger von Susanne Schulz, die seither das Theater in Ansbach (Franken) leitet, sein erstes Programm vor.

Unter dem Titel „Außenseiter“ hob sich der Vorhang für Goethes alles wissen wollenden „Faust“, für Wolfgang Herrndorfs bewegendes Jugenddrama „Tschick“ und für Paul Hengges faszinierendes Kammerspiel „Das Urteil“. Drei Stücke, die auch in der kommenden Spielzeit auf dem Plan zu finden sein werden.

Der Ausblick auf die neue Saison ist für den 52-Jährigen umso erfreulicher, weil die Zahlen für die zu Ende gehende Spielzeit zeigen, dass die Naumburger ihn und sein Programm angenommen haben.

Hatte die Bühne bis März letzten Jahres 8 057 Zuschauer gezählt, so konnten in der aktuellen Spielzeit bis zum März des Jahres bereits 10 998 Besucher begrüßt werden. Das entspricht einer Steigerung um 26 Prozent. An diese Zahlen möchte der Theaterchef ab September anknüpfen.

Gelingen soll das mit einem ähnlich ausgewogenen Programm für große und kleine Theaterfreunde wie in der aktuellen Spielzeit, im eigenen Haus und an Orten, die man gewöhnlich nicht mit Bühnenkunst verbindet.

Das ehemalige Schwurgericht, ein Steinwurf vom Theater entfernt, ist solch ein Ort: Dort wird zur Eröffnung der neuen Spielzeit am 9. September Kleists ebenso zeitlose wie vergnügliche Komödie „Der zerbrochene Krug“ Premiere haben. Das passt wie die sprichwörtliche Faust aufs Auge, da in dem Lustspielklassiker Dorfrichter Adam bekanntlich einen Prozess zu führen hat, in dem er sich als Täter überführen muss.

Gegenwärtiges Domizil platzt aus allen Nähten

Das ehemalige Schwurgericht, das zuletzt Teil der 2012 geschlossenen Justizvollzugsanstalt war, ist seit einiger Zeit im Gespräch als neuer Standort für das Theater Naumburg. Dessen gegenwärtiges Domizil platzt aus allen Nähten und bedarf auch der Sanierung.

„Ich bin nicht auf das Schwurgericht fixiert“, sagt Neugebauer. „Es muss eine Lösung gefunden werden, die für Stadt und Land bezahlbar ist, aber die braucht es über kurz oder lang.“

Die Frage hätte in seinem ersten Jahr freilich nicht die oberste Priorität gehabt, weil er als Intendant zunächst mit Inhalten überzeugen musste und wollte. „Wenn ich hier anfange, kann ich nicht sofort ein neues Theater fordern“, sagt Neugebauer.

Dass ihn sein Weg zum Theater führen würde, ergab sich erst während des Studiums. Was er aber bereits als 14-Jährige wusste, war, dass er die DDR verlassen wollte. „Man hatte in der DDR eine private und eine öffentliche Meinung – das ging mir schon als Jugendlicher gegen den Strich“, sagt der gebürtige Potsdamer und bekennt: „Ich bin kein Ostalgiker.“

Er kam nach der Schule bei der Kirche unter, wollte Theologe werden, ehe er 1988 in den Westen ausreisen durfte, wo er in West-Berlin und in Paris studierte und, nach einer Ausbildung zum Dramaturgen und Regisseur, in Berlin sein eigenes Theater gründete. Das hat er für die Intendanz in Naumburg hinter sich gelassen.

Blick auf die Kulturpolitik

Und wie blickt er auf die Kulturpolitik in Sachsen-Anhalt? Ein Land mithin, in dem das Kultusressort – das bis zur Regierungsneubildung im April von dem unglücklich agierenden Stephan Dorgerloh geführt wurde – jüngst zerschlagen und in die Bereiche Bildung und Kultur aufgeteilt wurde. „Dorgerloh hat uns, im Gegensatz zu anderen Theatern im Land, nicht geschadet“, so Neugebauer.

Das Kultusressort ist inzwischen aufgesplittet: Staatskanzleichef Rainer Robra verwaltet gemeinsam mit seinem Staatssekretär Gunnar Schellenberger die Kultur, Marco Tullner hingegen die Bildung. „Das klingt erst einmal falsch“, meint Neugebauer und ergänzt: „Letztlich ist aber entscheidend, wer das Amt ausfüllt – und wie.“

Er wolle bis zu einem Urteil den für Kultur zuständigen Akteuren die viel zitierten 100 Tage Zeit lassen. Ansonsten erwartet Neugebauer, dass er und seine Intendantenkollegen im Land vom Kulturminister bald zu einem Gespräch nach Magdeburg eingeladen werden, um zu sehen, wohin die Reise für die Theater im Land künftig gehen wird.

Vielleicht findet ja auch die Landespolitik den Weg in eine der nächsten Inszenierungen des Naumburger Theaters. Ein Stück über eine Spezialität der Region und über eine Persönlichkeit der Stadt böte sich da an: Denn im Auftragswerk „Also sprach Müller-Thurgau“, das humorvoll-tief ins Glas und in die deutsche Seele blicken will, wird 2017 edler Saale-Unstrut-Wein mit der Philosophie Friedrich Nietzsches kredenzt.

Bevor es jedoch so weit ist, wird das diesjährige Sommerstück Premiere haben. Ab 3. Juni ist das Theaterspektakel „Shakespeares sämtliche Werke (leicht gekürzt)“ als Open Air zu erleben, und zwar im historischen Rund des Marientors, des einzigen erhaltenen von ursprünglich fünf Stadttoren.

Mehr zur neuen Spielzeit unter: www.theater-naumburg.de