Buchenwald Buchenwald: Auf sowjetischem Gelände gestorben
Halle/MZ. - Am ersten März 1950 öffneten sich die Tore des sogenannten Speziallagers 2, des von der sowjetischen Besatzungsmacht von August 1945 an als Internierungsstätte weitergeführten NS-Konzentrationslagers Buchenwald. Nach sowjetischen Angaben wurden 7073Personen entlassen. Die Zahl täuscht. 2415Personen wurden sofort der DDR-Jusitz übereignet, die sie in den berüchtigten "Waldheim"-Prozessen aburteilte.
Im Speziallager 2 wurden - nach sowjetischen Angaben - über die Jahre 28455Personen inhaftiert, darunter etwa 1000Frauen. Es waren vor allem Männer im Alter von 40 bis 60Jahren, die in Buchenwald weggesperrt worden sind; selten Täter im juristischen Sinn, sondern mittlere und kleine Funktionäre und Beamte des NS-Systems. Es starben 7113Menschen, vor allem in Folge der katastrophalen Haftbedingungen und jener Zusammenbrüche, die Depressionen nach sich ziehen.
Die sowjetischen Lagerverwalter führten zweierlei Buch: ein "Lagerjournal", in dem auch jeweils der Haftgrund verzeichnet wurde, und eine Totenliste, die nur biografische Eckdaten notierte. Das "Lagerjournal" bleibt aus Datenschutz-Gründen unveröffentlicht, die Todeslisten liegen nun als "Totenbuch" vor - aus der kyrillischen Schrift quasi zurückübertragen.
Die Existenz der 1993 aus Russland als Kopien zurückgekehrten Dokumente verblüfft die Historiker: Warum wurden Dokumente über ein Ereignis gelagert, das es nach außen hin gar nicht gegeben hat? Über Sterbefälle wurden Angehörige nicht informiert. Bis zum Ende der DDR gab es keine "aktive" Benachrichtigung. Über das Rote Kreuz konnte in einigen Fällen Gewissheit erlangt werden. Die Formel lautete dann: "auf sowjetischem Territorium" gestorben.
In der Toten-Liste ist auch Joachim Ernst Herzog von Anhalt (1901-1947) zu finden. Eine Nachfrage in Buchenwald nennt als aktenkundigen Verhaftungsgrund: "Gutsbesitzer", gestorben sei Anhalt im Lazarett. Das "Totenbuch", das mit einem Kommentar vorliegt, ist ein Buch des Gedenkens; für einige Familien wird es die erste und bislang vermisste Todesnachricht sein.
Volkhard Knigge, Bodo Ritscher (Hrsg.): "Totenbuch. Speziallager Buchenwald 1945-1950", 172 S., mit Abb., 14,50Euro. Zu beziehen über die Gedenkstätte Buchenwald.