1. MZ.de
  2. >
  3. Kultur
  4. >
  5. Britischer Autor Tom Sharpe wird 80

Britischer Autor Tom Sharpe wird 80

Von Oliver Hollenstein 28.03.2008, 08:22

London/dpa. - Vor einigen Jahren erlitt der britische Schriftsteller Tom Sharpe im spanischen Fernsehen vor laufender Kamera einen Herzinfarkt. Er habe sich eine Kopie des Bandes geben lassen und seinen Töchtern geschenkt - zu deren Belustigung, erklärte er später.

Sharpes bitterbösen schwarzen Humor halten einige für zotig, abstoßend und kindisch, seine Fans hingegen für schreiend komisch. Mehr als zehn Millionen Bücher in 22 Sprachen hat der Erfinder des armseligen Helden Henry Wilt verkauft. Am Sonntag feiert Sharpe, der von manchen als witzigster britischer Romanautor bezeichnet wird, seinen 80. Geburtstag.

Sharpe schildert in seinen Romanen menschliche Eitelkeiten, Schwächen, Träume und Perversionen - satirisch, skurril, grotesk und überzeichnet, aber ohne den Blick auf die Wirklichkeit zu verlieren. Nie spart der «Schutzheilige der "political incorrectness"» («Daily Telegraph») mit Kritik an den Verhältnissen. Ob schwarze Transvestiten in Ballettröckchen, der Kampf mit einer Sex-Puppe oder ein Universitätskolleg, das mit Kondomen geflutet wird - Sharpe neigt zu Sexualkomik und Gewaltschilderungen und eckt mitunter an: «Ich weiß, wie schlecht einige meiner Witze sind. Ich weiß, dass sie verletzen. Doch ich lasse sie drin, weil ich weiß, dass sie jemand mögen wird», erklärte er einmal.

Seine satirische Ader entdeckte der 1928 als Thomas Ridley Sharpe in London geborenen Autor erst spät. Seine Kindheit und Jugend sei von einer ständigen Wut geprägt gewesen, sagte er. Seine kränkliche Mutter habe sich kaum um ihn kümmern können. Der Vater, ein britischer Pfarrer, war erst Sozialist, später Nationalsozialist. Nach seinem Dienst als Marinesoldat und dem Studium in Cambridge ging Sharpe als Sozialarbeiter, Lehrer und Fotograf nach Südafrika. Ohne Erfolg schrieb er in dieser Zeit neun politische Theaterstücke, bis er 1961 wegen seiner Kritik an der Apartheid ausgewiesen wurde.

Zurück in England wurde Sharpe Berufsschullehrer. In seinem ersten Roman «Tohuwabohu» (1971) nahm er die weiße Arroganz und autoritäre Brutalität gegenüber Schwarzen in Südafrika aufs Korn. Seine satirische Seite war entdeckt. Der Erfolg ermöglichte es ihm, sich fortan hauptberuflich auf das Schreiben zu konzentrieren. In den nächsten dreizehn Jahren schrieb er elf weitere Romane. Darauf folgte eine mehr als zehnjährige Auszeit, die er stets mit «aufgestauter Verleger-Allergie», «heranwachsender Tochter-Blockade» oder ähnlichem erklärte. Später behauptete er, einfach zu viel Geld gehabt zu haben: «Arm sein ist besser für einen Schriftsteller. Es bedeutet, dass du zum Weiterarbeiten gezwungen bist.»

Zwei Romane schrieb Sharpe Mitte der 1990er, bevor sich sein Gesundheitszustand verschlechterte. «Ich kann nicht im Bett schreiben, ich kann im Bett nicht einmal denken.» An seinem vierten Henry-Band «Der Einfaltspinsel» (2005) feilte er schließlich sieben Jahre: Mehr als 1500 Seiten habe er geschrieben und dann verbrannt. «Ich hatte angefangen, aber fand es einfach nicht witzig», gestand er einer Zeitung. Fertig soll das Buch nur geworden sein, weil sein Verleger ihn gezwungen habe.

Heute schreibt Sharpe immer, wenn es sein Gesundheitszustand zulässt. Der Autor lebt seit mehr als fünfzehn Jahren an der Costa Brava in Spanien. Bei seiner Frau und seinen Töchtern in Cambridge ist er nur selten - vor allem, weil er dem britischen Gesundheitssystem misstraut. «Wenn ich in England geblieben wäre, wäre ich heute tot», sagte er.