Bregenzer Festspiele Bregenzer Festspiele: Ölraffinerie im Bodensee für den «Troubadour»

Bregenz/dpa. - Wie ein Paukenschlag wirkt das giftig-roteUngetüm, das da in der idyllischen Bodenseelandschaft vor Bregenz imfrühsommerlichen Licht glänzt. Eine täuschend echt aussehendeÖlraffinerie bildet die Kulisee für Giuseppe Verdis «Troubadour», dasHerzstück der Bregenzer Festspiele 2005. In diesem Freilicht-Opernhaus auf Zeit soll das das lyrische Drama aus dem Spanien des15. Jahrhunderts um Macht, Liebe und Eifersucht am 21. Juli zumersten Mal aufgeführt werden. Ein großes Opern-Spektakel auf der vonWasser umgebenen Bühne mit 7000 Tribünenplätzen am Ufer steht stetsim Mittelpunkt des sommerlichen Kulturfestivals, das außerdem eineOpernrarität, Operette, Schauspiel und Orchesterkonzerte auf demProgramm hat.
Die Neuinszenierung des «Troubadour» liegt in den Händen desKanadiers Robert Carsen. Mit den mehr als haushohen Türmen, einemverschlungen Röhrensystem, Treppen und Brücken wollen Carsen und derNew Yorker Bühnenbildner Paul Steinberg das mittelalterliche Stück indie Gegenwart transportieren. Der Kampf ums Erdöl scheint ihnen ambesten die gnadenlosen Machtspiele am spanischen Hof zusymbolisieren. «Die Raffinerie im Bodensee verkörpert eine Festungder heutigen Industriegesellschaft - und ihrer kostbarstenRessource», sagt Steinberg.
Bevor die möglichst schwindelfreien rund 400 Mitwirkenden vor undhinter den Kulissen am 13. Juni mit den Proben beginnen können, hattedie Technikmannschaft alle Hände voll zu tun. Erstellt wurde das 711Tonnen schwere und 56 Meter breite Bühnenbild auf dem festverankerten Betonkern und auf in den Seegrund gerammten Holzpiloten.Vier 15 Meter hohe Silos aus Wellblech sollen an die Wachtürme einerRitterburg erinnern. Im hinteren Teil stehen fünf bis zu 31 Meterhohe Schornsteine. Der vordere Teil ist durch einen schwefelgelbenStrandstreifen aus 300 Fässern geprägt, dem Reich der armenZigeunerin Azucena.
Bereits im Oktober 2004 waren die ersten Bauarbeiter angerückt.Der eisige Winter machte ihnen das Leben schwer. «Wir haben sogarLeute zum Schneeschaufeln anheuern müssen», berichtet der TechnischeDirektor Gerd Alfons. Er muss darauf achten, dass die Konstruktionwetterfest und windsicher ist, denn die Aufbauten sollen bis zurSommersaison 2006 halten, weil das Seebühnenprogramm nur alle zweiJahre wechselt.
Größten Wert legt Alfons bei allen Baumaterialien auf denUmweltschutz, um den Trinkwasserspeicher Bodensee nicht zu gefährden.So wurden beispielsweise nagelneue Lebensmitteltonnen verwendet undangestrichen, um sie wie alte Ölfässer aussehen zu lassen.
Eine weitere knifflige Aufgabe ist die möglichst dezenteUnterbringung unzähliger Scheinwerfer und Lautsprecher sowie derVorrichtungen für die Bühneneffekte wie Nebel oder Feuer. «Das istimmer eine Gratwanderung zwischen dem technisch Machbaren und denWünschen der Regie», sagt der Technik-Chef.
Kritikern des Industrie-Kolosses vor der grandiosen Naturkulisseversichert Festspiel-Intendant David Pountney: «Das wird magischausschauen.» Dazu soll auch der Licht-Designer Patrick Woodroffebeitragen, der schon Konzerte der Rolling Stones ins rechte Lichtgesetzt hat. Mit raffinierten Effekten will der Künstler dieAufbauten in immer wieder anderes Licht tauchen und Teile ausblenden,so dass Bewegung in dem fast starren Bühnenbild entsteht.
Ob das Industrie-Denkmal zu Verdi passt, wird das Publikumentscheiden. Die Festival-Verantwortlichen sind jedoch optimistisch:Die Kartennachfrage sei so groß, dass schon jetzt eineZusatzvorstellung eingeplant wurde, hieß es. Bis Ende August wird der«Troubadour» 26 Mal zu sehen sein. Unterdessen übt die technischeMannschaft unter Anleitung der Bregenzer Bergrettung noch das Auf-und Abseilen im Bühnenbild, um auf alle Regieeinfälle vorbereitet zusein.