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Bonn Bonn: Streicher müssen mehr arbeiten als die Bläser

Von Frank Senger 09.04.2004, 06:37
Das Beethoven-Orchester unter der Leitung von Dirigent Roman Kofman spielt in der Beethovenhalle in Bonn. (Foto: dpa)
Das Beethoven-Orchester unter der Leitung von Dirigent Roman Kofman spielt in der Beethovenhalle in Bonn. (Foto: dpa) dpa

Bonn/dpa. - Ein ungewöhnlicher Rechtsstreit in Bonn versetzt derzeit die Orchestergemeinde in Aufregung. Ausgelöst haben den Konflikt 16 Streicher des Beethoven Orchesters Bonn. Sie reichten beim Bonner Arbeitsgericht Klage gegen die Stadt ein, weil sie bei gleicher Bezahlung mehr arbeiten müssten als etwa die Bläser des Orchesters. Deshalb solle nun die Justiz dafür sorgen, dass die Violinisten künftig annähernd dieselbe Zahl an Auftritten oder Proben machen müssten wie ihre Kollegen an Horn, Posaune oder Flöte.

«Die Streicher haben derzeit im Schnitt 7,5 Dienste pro Woche, die Bläser aber nur 4,25», rechnet Manfred Becker, Anwalt der 16 Kläger, vor. Der Tarifvertrag erlaubt allerdings acht Proben oder Auftritte, Dienste genannt, zu jeweils drei Stunden. Aber Becker erwartet für die kommende Spielzeit noch mehr Arbeit für seine Mandanten. Zudem sei es nur gerecht, wenn alle im Orchester eine zumindest annähernd gleiche Arbeitszeit hätten. «Eine Abweichung von 15 Prozent wäre ja in Ordnung, aber jetzt ist es deutlich mehr.» Ursache sei die Kürzung der Planstellen im Orchester von 122 auf 106, bei der die Streicher besonders schlecht abgeschnitten hätten.

Seit dieser Klage hängt der Haussegen schief in dem Orchester, das zu den besonders gut bezahlten in Deutschland zählt. «Viele Kollegen sind sauer, aber es gibt auch Sympathien», sagt einer der Kläger, der nicht mit Namen genannt werden will. Dass die Geiger mehr Geld wollten, weil sie pro Musikstück auch mehr Noten spielen müssten, sei Unsinn. Es gehe lediglich um die Anzahl der Dienste.

Der Orchester-Geschäftsführer Michael Horn kann die Argumentation der Kläger nicht nachvollziehen: «Unser Tarifvertrag erlaubt acht Dienste, und kein Musiker muss mehr machen.» Deshalb gebe es keinen Grund zur Klage. Der Orchestervorstand betont in einer offiziellen Erklärung: Die unterschiedlichen Dienstbelastungen in den einzelnen Orchestergruppen seien strukturell bedingt. Ursache dafür seien die unterschiedlichen Besetzungen, die ein Komponist vorschreibe und die nie ganz zu beseitigen seien. Zu den aufmüpfigen Kollegen heißt es: Die Klage sei ein Schlag ins Gesicht aller Musiker, deren Orchester von massiven Verkleinerungen oder Auflösungen bedroht seien.

Ähnlich sieht das auch die Deutsche Orchestervereinigung (DOV), die Gewerkschaft der Orchestermusiker. «Die Klage kommt zur Unzeit», sagt DOV-Geschäftsführer Gerald Mertens. Wegen knapper öffentlicher Kassen seien viele Orchester gefährdet. Zwar seien Streicher im Schnitt oft mehr belastet, aber Bläser etwa auf der anderen Seite auch häufiger als Solisten im Einsatz. Dies benötige wiederum eine besondere Vorbereitung. Generell sieht Mertens eine Lösung darin, dass etwa bestimmte Stücke mit weniger Streichern gespielt werden oder aber bei der Auswahl des Programms darauf geachtet wird, dass dies auch mit dem vorhandenen Personal umgesetzt werden kann.

Für Stirnrunzeln und Empörung sorgt der Streit beim Deutschen Bühnenverein. Der Arbeitgeberverband fordert die 16 Musiker zur Rücknahme der Klage auf. «Mit ihrem Rechtsstreit schaden die Geiger dem Ansehen der Orchestermusiker im Allgemeinen und dem Ruf des Beethoven Orchesters im Besonderen», kritisiert Bühnenvereins- Präsident Klaus Zehelein. Die Klage stoße weltweit in Fachkreisen auf Unverständnis. Ein Anspruch auf Gleichbehandlung mit Bläsern lasse sich mit Rücksicht auf die musikalische Literatur überhaupt nicht realisieren.

Mittlerweile haben die Kläger selbst einen Teilrückzug verkündet. Als Beweis, dass es nicht ums Geld, sondern um gerechte Verteilung von Diensten gehe, werde ein Hilfsantrag zurückgezogen, sagt Anwalt Becker. In diesem Hilfsantrag forderten die Kläger, falls sie weiter im Vergleich zu den Bläsern mehr arbeiten müssten, pro Mehrdienst eine zusätzliche Vergütung - beispielsweise 100 Euro. Eine Lösung muss nun das Gericht finden. Nachdem im Februar die Güteverhandlung gescheitert war, ist für den 6. Mai ein Gerichtstermin angesetzt.