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Bodo Uhse Bodo Uhse: Ein Patriot in Nadelstreifen

Von Christian Eger 11.03.2004, 16:06

Halle/MZ. - Der Schriftsteller Bodo Uhse, der es in der frühen DDR zu einigem Autoren-Ruhm brachte, gehörte zu dieser Generation der notorisch Entzückbaren, die die politischen Lager wie die Manschettenknöpfe wechseln konnten. Unterm Strich aber blieben sie stets, was sie waren: Berufs-Jugendliche, Abenteurer, Bohemians in Nadelstreifen.

Als Autor ist Bodo Uhse, der am 12. März vor 100 Jahren im badischen Rastatt geboren wurde, buchstäblich ein toter Mann; seine Romane sind nicht mehr lieferbar. Dabei geht es Uhse wie vielen Autoren der frühen DDR: Ihre Zeitzeugenschaft ist von höchstem Interesse und von dieser Zeugenschaft wiederum profitiert Uhses an der eigenen Biografie entlang geschriebenes Werk.

Als Sohn eines wilhelminischen Offiziers geboren, tritt Bodo Uhse mit 17 in den rechtskonservativen "Bund Oberland" ein. Teilnahme am Kapp-Putsch, Bekanntschaft mit den Brüdern Strasser, den Vordenkern des linken Flügels der NSDAP, deren Mitglied Uhse 1923 wird - ein "Alter Kämpfer" also, Anwärter auf das "Goldene Parteiabzeichen". Uhse aber ist ein Selbstdenker, der als "Nationalbolschewist" vor Kontakten mit den Kommunisten nicht zurückschreckt.

1928 übernimmt er als Chefredakteur ein Naziblatt in Itzehoe, um das von der Nachkriegs- und Wirtschaftskrise fast vollständig ruinierte Landvolk für die Rebellion von rechts zu gewinnen. Es ist die Zeit des von links und rechts umworbenen "Bauerngenerals" Claus Heim, der unter der schwarzen Fahne mit silbernem Pflug und rotem Schwert gepfändete Bauern Bomben in Finanz- und Steuerämtern legen lässt. Hitler aber ist das Landvolk egal; Uhse nimmt die sozialistischen Formeln im NSDAP-Programm zu genau. 1930 wird der 26-Jährige, den Ernst von Salomon in seinem Roman "Der Fragebogen" einen der "radikalsten und begabtesten Journalisten" nennt, auf Drängen Hitlers aus der NSDAP geworfen. Heimat findet Uhse sehr bald schon bei der KPD: 1933 Emigration, Teilnahme am Spanienkrieg, Exil in Mexiko und 1948 Rückkehr nach Ostberlin. Uhse dient als Chefredakteur der Kulturbund-Monatszeitschrift "Aufbau" bis 1958. Wer war dieser Mann? Marcel Reich-Ranicki 1963: "Er wurde Nazi und blieb intelligent. Er wurde Kommunist und blieb verhältnismäßig liberal. Als Politiker war er Phantast, als Künstler Realist. Er schrieb schlechte Bücher und war ein guter Schriftsteller."

Ein Autor, dem "Deutschland" stets das erste Thema war: als Chiffre und Szene, als eine flirrende Idee, für die zu kämpfen war, egal ob in Itzehoe, Madrid oder Ostberlin. Seine Hauptwerke "Söldner und Soldat" (1935), "Leutnant Bertram" (1944) und "Wir Söhne" (1948) waren autobiografisch intendierte Deutschland-Romane: Erlebnisliteratur, spröde und knapp in der Diktion, humorfrei und langatmig, kulturgeschichtlich von hohem Wert.

Bis 1956 lebt Uhse in einer Westberliner Villa am Glienicker See: mit einer exotisch schönen Frau und deren Reitpferd, das sein Futter am gemeinsamen Mittagstisch erhält; so werden die Gewohnheiten des mexikanischen Exils fortgesetzt. Die SED ruft Uhse dann doch lieber in ihre Ostberliner Mitte, in ein Quartier über dem Strausberger Platz. 1963 sollte er, der 1934 einen Offenen Brief ("Wo Sie nicht schweigen, müssen Sie lügen!") an seinen Nachfolger in Itzehoe verfasst hatte, den unbotmäßigen Peter Huchel als "Sinn und Form"-Chef beerben; es kam nicht dazu. Uhse stirbt 59-jährig 1963; wie Fritz J. Raddatz sagte: "zerquält und dem Alkohol verfallen".