Biermann und die Folgen Biermann und die Folgen: 30. Jahrestag der Ausbürgerung
Berlin/dpa. - «Wolf Biermann war und ist ein unbequemer Dichter -das hat er mit vielen Dichtern der Vergangenheit gemein.» Mit diesenWorten begann vor 30 Jahren eine Protesterklärung zahlreicherprominenter Künstler und Schriftsteller der DDR gegen dieAusbürgerung des Liedermachers Wolf Biermann am 16. November 1976.Was daraufhin folgte, war die größte kulturpolitische Protestkampagnein der Geschichte der DDR.
Die Folgen hat damals niemand voraussehen können. «Honecker nicht,ich nicht und die Schriftsteller auch nicht», wird der heute inseiner Vaterstadt Hamburg lebende Biermann, der am Mittwoch (15.November) seinen 70. Geburtstag feiert, später einmal sagen. «ImNachhinein ist jeder Dummkopf schlauer, aber sie haben sichtatsächlich furchtbar verhauen.»
Das haben längst auch mehrere der damals beteiligten hochrangigenSED-Funktionäre eingeräumt. Der folgende Künstler-Exodus aus der DDRwar die intellektuelle Selbstentleibung des «Arbeiter- undBauernstaates», nicht nur der Schriftsteller Stefan Heym sah darinein Menetekel. Sein Kollege Jurek Becker meinte, wie sich HilmarThate jetzt als einer der damaligen Protest-Unterzeichner in seinenMemoiren erinnert: «Ich glaube, der eigentliche Anfang für dieImplosion der DDR war diese blöde Biermann-Geschichte. Ab da hat siesich nie wieder berappelt.»
Zum Vorwand hatte die SED ein Konzert Biermanns am 13. November inKöln - nach zwölfjährigem Berufsverbot in der DDR - genommen. Dorthabe er, so teilte die Staats- und Parteiführung der DDR einerverblüfften Öffentlichkeit über die amtliche Nachrichtenagentur ADNkurz und bündig mit, «mit seinem feindseligen Auftreten» gegenüberder DDR seine staatsbürgerlichen Pflichten «grob verletzt» und damit«sich selbst den Boden für die weitere Gewährung derStaatsbürgerschaft der DDR entzogen. Sein persönliches Eigentum wirdihm - soweit es sich in der DDR befindet - zugestellt». Punktum.Dabei vergaß man nicht, ausdrücklich zu erwähnen, dass Biermann 1953«aus Hamburg in die DDR übersiedelte».
Dem rebellischen Poeten wurde später klar, dass die SED nur denpassenden Anlass gesucht hatte - «ich hätte auch "Hänschen klein"singen können», er wäre trotzdem nicht mehr in die DDR gelassenworden. Wenn er nur die leiseste Ahnung von den finsteren Absichtender Machthaber gehabt hätte, er wäre nicht gefahren. Und hätte sichwohl auch damit keinen Gefallen getan. Oft hat er darübernachgedacht, ob die weiteren 13 Jahre bis zum Mauerfall ihn nichtdoch noch «weich gekocht» hätten. Die Fragestellung «Habe ich dieAngst oder hat die Angst mich?» war ihm nur zu bekannt.
In jenem stürmischen Herbst 1976 jedenfalls - dem ja 1989 mit demMauerfall wieder ein November mit großen geschichtlichen Dimensionenfolgen sollte - brach ein Sturm der Entrüstung selbst unter denprominentesten DDR-Autoren, Schauspielern und Künstlern los. ManfredKrug hat über die panikartigen Versuche der SED, die Künstlerumzustimmen - was in einigen Fällen auch gelang -, später einaufschlussreiches Tonbandprotokoll veröffentlicht («Abgehauen»), dasvon dem kürzlich gestorbenen Regisseur Frank Beyer («Spur derSteine») auch verfilmt wurde.
Der Liedermacher selbst erlebte seine Ausbürgerung damals zunächst«als das Ende von Wolf Biermann», wie er sich später erinnerte. Erhabe zunächst auch eine Riesenangst im Westen gehabt. Aberletztendlich habe die SED ihm einen Riesengefallen getan. «Es schadetja nichts, wenn ein Sänger auch mal öffentlich singen kann, wenn einDichter auch mal ein bisschen mehr von der Welt sieht als seinenkleinen DDR-Pisspott, wenn man mal Geld bekommt statt Schläge.»