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Beutekunst Beutekunst: Der lange Weg zurück nach Westen

Von Florian Hassel 27.03.2003, 16:00
Der russische Kulturminister Michail Schwydkoj. (Foto: dpa)
Der russische Kulturminister Michail Schwydkoj. (Foto: dpa) dpa/dpaweb

Moskau/Bremen/MZ. - Wenn kein "Playboy" zur Hand ist, muss halt ein Rodin herhalten. Die jungen Sowjetsoldaten, die nach Kriegsende 1945 im Schloss Karnzow bei Kyritz einquartiert wurden, waren begeistert, als sie die Behälter öffneten, die in einem Keller versteckt waren: jede Menge nackter Frauen blickten ihnen da entgegen - nur vom Papier und in SchwarzWeiß, dafür aber mit üppigen Formen.

Die Soldaten waren nicht zimperlich: Als sie Ende Juli 1945 den Marschbefehl bekamen, klebten sie die Schönheiten als Pin-Up- Girls in die Führerhäuschen ihrer Lastwagen. Nur Wiktor Baldin begriff, dass sie dafür viel zu kostbar waren. Der 25 Jahre alte Militäringenieur opferte Wodka, Zigaretten und seine Stiefel - und tauschte sie bei seinen Kameraden gegen Radierungen von Rodin, Tiepolo, und Albrecht Dürer ein. Nach der Rückkehr nach Moskau sammelte Baldin weiter, und hatte schließlich 364 Kunstwerke zusammen.

Dass die Radierungen und Zeichnungen zur im Krieg ausgelagerten Sammlung der Bremer Kunsthalle gehörten, erfuhr Baldin erst später. Er übergab die Werke zur sichereren Aufbewahrung einem sowjetischen Museum. Nachdem Baldin selbst Museumsdirektor geworden war, setzte er sich für die Rückgabe der geraubten Kunstwerke an Deutschland ein. Allerdings vergeblich. Jetzt wollte Russlands Kulturminister Michail Schwydkoi die kostbare Sammlung endlich zurückgeben. Am Samstag wollte die Bremer Kunsthalle eine Ausstellung mit den heimgekehrten Schätzen eröffnen. Doch daraus wird nichts. 1998 verabschiedete das russische Parlament ein Gesetz, das die Beutekunst zum Eigentum Russlands erklärte. Doch das - von der Bundesrepublik nie anerkannte - Gesetz lässt Hintertüren offen: Von Privatleuten geraubte Kunst darf zurückgegeben werden.

Mitte Februar befahl Kulturminister Schwydkoi, die Bremer Zeichnungen zur Rückgabe vorzubereiten. Doch er hatte die Rechnung ohne Nikolaj Gubenko gemacht. Der Chef des Kulturausschusses im Parlament, beschwerte sich bei Putin und der Generalstaatsanwaltschaft. Die tat das bei brenzligen Themen übliche: Sie fand angebliche Formfehler. So wurde erklärt, die Deutschen hätten keine Dokumente vorgelegen, die ihren Besitzeranspruch belegen könnten - eine kuriose Forderung, nachdem russische Museen die berühmten Zeichnungen bereits mit Verweis auf Bremen ausgestellt hatten.

Präsident Putin hat Schwydkoi angewiesen, einen Kompromiss zu finden, selbst aber zum Thema bisher geschwiegen. Russland steht am Beginn des Wahlkampfes für Parlament und Präsident. Gut möglich, dass die Bremer Kunsthalle ihre Ausstellung noch um mindestens ein Jahr verschieben muss.