Berlinale Berlinale: Menschenjagd in Afrika
Berlin/MZ. - Pygmäen im Visier
Man schreibt das Jahr 1870. Für den Zoll als eine Affenart deklariert und auch dementsprechend behandelt, entführt der britische Anthropologe Jamie Dodd (Joseph Fiennes) zwei Pygmäen (Cécile Bayiha und Lomama Boseki) im Frachtraum eines Segelschiffes aus ihrer zentralafrikanischen Heimat. In Schottland wartet man begierig auf die beiden "Exemplare", die man für ein bislang fehlendes Glied zwischen den höchstentwickelten Affenarten und den Schwarzafrikanern hält, welche man als niedrigste Form menschlichen Lebens einstuft. Gemeinsam mit seinen Kollegen Alexander Auchinleck (Iain Glen) und Fraser McBride (Hugh Bonneville) stürzt sich Dodd in die Forschungsarbeit. Aber im Gegensatz zu seinen Mitarbeitern erkennt er schnell, dass es sich bei seinen Fängen um fühlende, intelligente Wesen handelt.
Auchinleck und McBride bringen für den Sinneswandel ihres Freundes keinerlei Verständnis auf, sie wollen ihre Forschungen vorantreiben und Ruhm und Ansehen erlangen. Schließlich landen die Afrikaner Toko und Likola gar als Attraktionen im Zoo von Edinburgh. Aber an dieser Stelle sind die Skrupellosigkeit und die Perversion der Wissenschaftler noch längst nicht auf dem Höhepunkt angelangt. Das Schicksal, das der Film "Man To Man" aufgreift, ist nicht etwa aus der Luft gegriffen. Noch zu Anfang des 20. Jahrhunderts wurden in den Zoos und Museen der sogenannten zivilisierten Welt Angehörige von Naturvölkern wie Exponate ausgestellt, wobei Pygmäen und Eskimos eine besonders traurige Berühmtheit erlangten.
Die Geringschätzung menschlichen Lebens sollte noch lange kein Ende finden. Die schottischen Anthropologen bedienen sich der gleichen Schautafeln und Messgeräte, die die Nazis sechzig Jahre später wieder auspacken, um ihre wahnwitzige Rassenlehre zu begründen. Regisseur Régis Wargnier ("Indochine") greift ein düsteres Thema auf und macht daraus einen soliden, aber sicherlich nicht preisverdächtigen Film.
Einige emotional sehr starke Momente und eine überraschende Portion Situationskomik sorgen dafür, dass "Man To Man" insgesamt recht unterhaltsam ist. Echte Tiefe, die bei der brisanten Thematik unbedingt wünschenswert gewesen wäre, erreicht der Film nicht. Die Entwicklung des Protagonisten vom verblendeten Wissenschaftler zum Gutmenschen ist schwer nachvollziehbar. Die Moral von der Geschicht' kommt stets vordergründig daher: Wer anderen einen Käfig baut, landet selbst darin.
Gut im Mittelfeld
Nein, der Berlinale-Opener ist kein schlechter Film. Er ist nur für die Arthaus-Kinofreunde ein wenig zu stromlinienförmig und für Freunde des Abenteuer-Kinos wahrscheinlich zu ambitioniert. Wer sich im Mittelfeld bewegt, wird zwei interessante Stunden erleben. Und ist die Neugierde geweckt, dann stehen sämtliche Bibliothekstüren offen und laden dazu ein, sich über das Thema zu informieren.
Wann man "Man To Man" im regulären Programm unserer Filmtheater zu sehen bekommt, steht noch nicht fest. Bisher hat sich kein deutscher Verleiher die Rechte am Film gesichert.