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Berlinale Berlinale: Die KZ-Aufseherin und ihre Geheimnisse

Von Reinhard Kleber 06.02.2009, 10:17
Michael Berg (David Kross) liest Hanna Schmitz (Kate Winslet) in einer Filmszene von «Der Vorleser» im Bett vor. (FOTO: DPA)
Michael Berg (David Kross) liest Hanna Schmitz (Kate Winslet) in einer Filmszene von «Der Vorleser» im Bett vor. (FOTO: DPA) Senator Film

Berlin/ddp. - Dasprominent besetzte Drama, das im Wettbewerb außer Konkurrenz gezeigtund in fünf Kategorien für den Oscar nominiert ist, wartet mithervorragenden Schauspielerleistungen auf. Unter der Regie desbritischen Regisseurs Stephen Daldry («The Hours») laufen in denHauptrollen Kate Winslet, David Kross («Knallhart», «Krabat») undRalph Fiennes zu Hochform auf. Am Abend sollte der Film im BerlinalePalast Deutschlandpremiere feiern.

Die Romanvorlage stammt vom deutschen Jura-Professor BernhardSchlink. Sein 1995 erschienenes Buch «Der Vorleser» wurde bisher inetwa 40 Sprachen übersetzt und vielfach ausgezeichnet. 1997 erschienes in den USA und avancierte zum ersten deutschen Buch, das denSprung auf Platz eins der Bestsellerliste der «New York Times»schaffte.

In der US-deutschen Koproduktion, die unter anderem in Berlin,Görlitz und Köln gedreht wurde, breiten Daldry und DrehbuchautorDavid Hare die Handlung in mehreren Zeitebenen zwischen 1958 und 1995aus. In einer süddeutschen Kleinstadt verliebt sich der 15-jährigeSchüler Michael Berg (Kross) 1958 in die 21 Jahre ältereStraßenbahnschaffnerin Hanna Schmitz (Winslet), die ihn verführt.

Einige Wochen schwebt Michael im siebten Himmel, auch wenn er sichwundert, dass er Sex erst bekommt, nachdem er ihr aus Büchernvorgelesen hat. Als die dominante Hanna plötzlich spurlosverschwindet, bleibt der Junge bestürzt und ratlos zurück.

Winslet sagte bei der Vorstellung auf der Berlinale, sie habe beider Verkörperung der Hanna «eine sehr große Verantwortung gespürt».Ihr sei es sehr wichtig gewesen, «Hanna auch als Mensch zu spielen,der Wärme gibt und Liebe empfindet». Bei der Vorbereitung auf dieRolle habe sie erkannt, dass ihr Wissen über dasNachkriegsdeutschland nicht ausreichte. Daher habe sie vielrecherchiert, «um ein größeres Verständnis für meine Rolle zufinden».

Im Film begegnet Michael Hanna erst 1968 zufällig wieder, als erals Jurastudent einen Kriegsverbrecherprozess besucht. Dort ist Hannaangeklagt, weil sie als Aufseherin in einem Konzentrationslagerarbeitete und für den Tod zahlreicher Menschen verantwortlich seinsoll.

Im entscheidenden Moment verschweigt Michael dem Gericht einewichtige Information, die Hanna entlasten würde. Die Angeklagte wirdzu einer langjährigen Gefängnisstrafe verurteilt. Doch die tiefeBindung lässt Michael auch als Erwachsener (Ralph Fiennes) vieleJahre später keine Ruhe finden.

Daldry und Hare gelingt es vorzüglich, die bizarreLiebesgeschichte mit all ihren Höhen und Tiefen auf die Leinwand zubannen. Die komplexe Reflexionsebene des Romans mit den innerenMonologen des Ich-Erzählers über die Verstrickung der Deutschen indie Nazi-Verbrechen und den Umgang der jungen Generation mit derSchuld der Älteren konnten die beiden aber nur ansatzweise ins MediumFilm übertragen, auch wenn der gewohnt souveräne Bruno Ganz alsweiser Juraprofessor für einige nachdenkliche Momente sorgt.

Winslet gibt die widersprüchliche und innerlich gebrochene Hannaüberzeugend und mit viel Mut zu nackter Haut. Für diese grandioseLeistung darf sie sich nach einem Golden Globe zu Recht auchHoffnungen auf ihren ersten Oscar als beste Hauptdarstellerin machen.

Den Protagonisten steht ein hochrangiges Ensemble zur Seite, dasdurchweg glänzend agiert: Alexandra Maria Lara, Lena Olin, KarolineHerfurth, Hannah Herzsprung, Burghart Klaußner und Matthias Habich.Trotz der genannten Schwächen ist «Der Vorleser» ein erschütterndesund nachdenklich stimmendes Drama. In den deutschen Kinos startet esam 26. Februar, vier Tage nach der Verleihung der Academy Awards inLos Angeles. Dort tritt das Drama auch als bester Film und in derRegie-Kategorie an.