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Berichterstattung zu Anschlägen in Paris Berichterstattung zu Anschlägen in Paris: Wie die ARD ihre Sportreporter mit dem Terror allein ließ

Von Timo Schillinger 14.11.2015, 17:49
Matthias Opdenhövel, DFB-Interims-Präsident Reinhard Rauball, DFB-Interims-Präsident Rainer Koch und Mehmet Scholl im Interview der ARD
Matthias Opdenhövel, DFB-Interims-Präsident Reinhard Rauball, DFB-Interims-Präsident Rainer Koch und Mehmet Scholl im Interview der ARD imago/Matthias Koch Lizenz

Köln - Nach der 20. Spielminute war alles anders. Ein heftiger Knall erschallte im Stade de France, platzte mitten in das Länderspiel der deutschen Nationalmannschaft und damit in das, was ein ganz normaler Sportabend hätte werden sollen. Kurz danach war klar: Der Knall war kein Böller im Stadion, sondern eine Explosion. Es folgten die ersten Nachrichten über Verletzte, Tote.

Auf Situationen wie diese kann niemand vorbereitet sein. Auch die ARD nicht. Doch die Art und Weise, wie der Fernsehsender mit den Schreckensmeldungen aus Paris umgegangen ist, hat bei vielen Zuschauern für Empörung gesorgt. Das Spiel lief weiter. Kommentator Tom Bartels kommentierte weiter. Weil ihm nichts anderes übrigblieb. „Es gibt Wichtigeres, über das derzeit gesprochen werden muss“, sagte Bartels in der zweiten Halbzeit.

Er machte keinen Hehl daraus, wie schwer es ihm fiel, das Spiel weiterzukommentieren. Ein großer Teil der Tragweite war ihm bewusst. Livebilder zeigten leere Plätze um Ligapräsident Reinhard Rauball. Zuvor hatten dort noch Frankreichs Präsident François Hollande und Außenminister Frank-Walter Steinmeier gesessen. Die Meldungen brachten immer mehr Details der Anschläge ans Licht. „Das liegt wie ein bleischwerer Schleier über allem hier.“

Auch nach dem Spiel blieb die ARD bei ihrer Sport-Berichterstattung. Nach Tom Bartels musste nun Moderator Matthias Opdenhövel zusammen mit Mehmet Scholl den Sendebetrieb aufrecht halten. Beiden war der Schock über die Ereignisse deutlich anzusehen. Immer wieder brachten sie ihre Ratlosigkeit zum Ausdruck. Über Fußball wolle man jetzt wirklich nicht mehr reden.

Doch sie mussten. Anstatt auf Nachrichtenbetrieb umzuschwenken, zeigte die ARD Zusammenfassungen von EM-Qualifikationsspielen - gelegentlich unterbrochen durch kurze Tagesschau-Sondersendungen. Danach schaltete die ARD sogar noch zu Alexander Bommes in den Sportschau-Club, wo die konsternierten Fußballer Ralf Fährmann und Martin Stranzl um ihre Kommentare gebeten wurden. Die Twitter-Kommentatoren hatten Mitleid mit den zweckentfremdeten Sportberichterstattern.

Das Vorgehen der ARD wurde nicht nur in den sozialen Netzwerken gerügt. Sondern auch innerhalb der ARD. Monitor-Chef Georg Restle twitterte um kurz vor Mitternacht, dass die Kollegen doch auf weitere Spielberichte verzichten sollten.

Auf der nächsten Seite lesen Sie, wie die ARD sich zu ihrem Vorgehen äußert und wie Tom Bartels die Situation erlebt hat.

ARD-aktuell-Chefredakteur Kai Gniffke rechtfertigte die Berichterstattung. „Zunächst sind viele Beobachter davon ausgegangen, dass das Stadion Schwerpunkt des Geschehens war. Entsprechend war es richtig, dass die Sport-Kollegen direkt von dort über die Ereignisse abseits des Spielfelds berichtet haben. In dem Maße, in dem die Erkenntnisse zunahmen, haben wir die Zuschauerinnen und Zuschauer durch 'Tagesschau'-Sonderausgaben auf dem Laufenden gehalten und sind schließlich auf Strecke gegangen“, sagt Gniffke auf Anfrage des Medienmagazins DWDL.de. Am Samstag reagierte der Sender mit Sondersendungen auf die Anschläge - allerdings erst am Mittag.

Bartels äußert sich am Tag danach

Tom Bartels hat sich mittlerweile geäußert. Mit einem Tag Abstand kann er die Situation immer noch nicht recht einordnen: „Das war eine perverse Situation. Ich war überfordert. Das ist das Schlimmste, was passieren kann, dass Menschen sterben während eines Sportereignisses. Es war grausam, mit Worten nicht zu beschreiben und zu lösen“, sagte Bartels auf Anfrage des Sportinformationsdienstes. „Mir haben die Knie gezittert. Ich wollte nur, dass es zu Ende geht. Es war einfach nur furchtbar“, berichtete er: „Man wünscht sich, irgendwie erlöst zu werden. Man wird eben überrollt. Ich weiß gar nicht, wie man das machen muss. Ich will so etwas nie wieder erleben.“

Matthias Opdenhövel war bislang noch nicht zu einer Stellungnahme bereit. Er wollte einfach nur nach Hause.

Das Stade de France nach dem Spiel
Das Stade de France nach dem Spiel
AFP Lizenz