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Benjamin Lebert Benjamin Lebert: Auf der Suche nach dem Nicht-Erwachsenwerden

Von Carola Große-Wilde 08.01.2007, 19:14
«Kannst du» heißt der neue Roman des Jungautors Benjamin Lebert (Archivfoto vom 13.08.2003).(Foto: dpa)
«Kannst du» heißt der neue Roman des Jungautors Benjamin Lebert (Archivfoto vom 13.08.2003).(Foto: dpa) dpa

Hamburg/dpa. - Als hätten sie nurdarauf gewartet, einen Jungautor feiern zu dürfen, der «wie vor ihmnoch keiner das Drama Jugend auf den Punkt gebracht hat» («Stern»).Der Medienrummel ging sogar so weit, dass sich der SchriftstellerMaxim Biller öffentlich dafür entschuldige, den Jungen entdeckt zuhaben, schließlich trage er somit Schuld an dessen Vermarktung. Mit«Kannst Du» (Kiepenheuer & Witsch, S. 267, Euro 9,95) hat Lebert nunseinen dritten Roman vorgelegt, am 9. Januar wird der Autor, der seiteinem Jahr in Hamburg lebt, 25 Jahre alt.

«Die Situation war schon absurd und schwierig für mich», sagtLebert im dpa-Gespräch. Vor allem, weil die Diskrepanz zwischenseinem bisherigen Leben und dem Medienrummel so groß gewesen sei.«Ich hatte die Schule schon abgebrochen, bevor der Romanherausgekommen ist. Ich stand quasi vor dem Nichts, und in diesesNichts ist der Erfolg von "Crazy" hineingeplatzt.» Es sei für ihnsehr schwierig gewesen, damit umzugehen. «Ich war plötzlich einwichtiger Mensch und vorher war ich das genaue Gegenteil», sagt derblonde junge Mann, der wie die Hauptfigur in seinem ersten Roman miteiner Lähmung der linken Körperseite zu kämpfen hat. Wie einsam undverloren er sich als «Vorzeige-Jungautor» gefühlt hat, beschreibt erin dem ebenfalls sehr autobiografischen Roman «Kannst Du».

Und der Hype sollte noch lange weitergehen. Ein Jahr später folgtedie Verfilmung von «Crazy» mit Robert Stadlober in der Hauptrolle,Lesereisen im In- und Ausland, schließlich gab Lebert Kurse in«Creative Writing» in New York. Und schon bald kam die Frage nach demzweiten Buch. «In Berlin wollte ich mich hinsetzen und schreiben.Stattdessen habe ich immer nur die Stimmen von den Menschen gehört,denen ich begegnet bin», sagt Lebert. 2003 erscheint «Der Vogel istein Rabe», sein «liebstes Buch». «Es ist dunkler, freier geworden»,meint der Autor. Mit einer Auflage von 100 000 Exemplaren längstnicht so ein Erfolg wie «Crazy», das 1,6 Millionen Mal verkauftwurde. «Aber das sind die Leser, die mir wirklich folgen wollen»,sagt Lebert.

Auch darin geht es um die Schwierigkeit, erwachsen zu werden,Verantwortung zu übernehmen für sich und andere. In «Kannst Du»schafft es die Hauptfigur Tim nicht, seiner Interrail-BegleiterinTanja, die sich immer wieder selbst verstümmelt, zu helfen. Zu sehrist er mit seinen eigenen Problemen beschäftigt. Aber für Lebert istErwachsensein auch kein erstrebenswerter Zustand. «Erwachsenseinbedeutet Stillstand. Es gibt keinen Punkt, den man erreichen kann unddann ist man erwachsen», sagt der Autor, der Wolfgang Borchert (1921-1947) zu seinen Vorbildern zählt. «In größerer Finsternis (alsBorchert) kann man gar nicht sein. Und trotzdem hat er das Blühendeim Leben erkannt.»

Neben Thomas Brussig, Eva Menasse, Michael Kumpfmüller und JensSparschuh gehört Lebert inzwischen zu der Garde Schriftsteller, dieschon zum zweiten Mal bei Literaturnobelpreisträger Günter Grass inLübeck zu Gast waren. Dort sitzen sie an einem langen Tisch und lesensich gegenseitig aus ihren Manuskripten vor. «Das ist sehranstrengend, hilft aber auch», meint Lebert. Natürlich gehört auchGrass zu seinen Idolen, dem er aber «nur in Ansätzen» nacheifernkönne. «Er sagt nicht viele herzliche Dinge oder so. Aber man siehtdie Liebe in seinen Augen.» Für die Zukunft hat Benjamin Lebert nureinen Wunsch: «Irgendwann mal kein Jungautor mehr zu sein.»