Belletristik Belletristik: Neues aus Kaminers Küche
Halle/MZ. - Keine Talkshow und kein Magazin, die ohne ihn auskommen. Die deutsche Öffentlichkeit lässt sich gern von ihrem Lieblingsrussen erheitern.
Dafür hat Wladimir Kaminer, der 1990 nach Berlin und vor sechs Jahren mit seinem Debüt-Band "Russendisko" groß raus kam, selbst den Anlass geliefert. Mit jenen ins Skurrile gedrehten deutsch-russischen Alltagsbetrachtungen, die wie Popsongs oder Werbeslogans sind: spontan, witzig, pointenreich. Jetzt legt Kaminer "Küche totalitär. Das Kochbuch des Sozialismus" vor. Es sind Ess- und Trink-Geschichten rund um die sowjetische Küche, diesen "Gaumenkitzel des Totalitarismus". Angereichert um die Rezepte seiner Frau Olga, die zugleich durch die Kochtöpfe der ehemaligen sowjetischen Teilrepubliken führen. Eine Küchenkunde, die neben Rezepten wie Kijma-Schurpa oder Tatli allerlei Mentales über das russische Riesenreich liefert, ist Kaminers sozialistisches Kochbuch - wen wundert's - nicht. Dabei macht er es seinen unwissenden Lesern leicht, indem er ihnen erklärt: Georgien sei "ungefähr so groß wie Hessen". Schlauer wird man dabei kaum. Aber das wahre Leben zu dokumentieren, war noch nie Kaminers Begehr.
Wie in seinen vergangenen Büchern, etwa "Die Reise nach Trulala", führt er wodkagetränkte Klischees über die Russen vor. Aber nur, um aus ihnen neue Zerrbilder des kulinarischen Alltags zu destillieren. So entsteht die typische Kaminer-Folklore. In seiner Vergangenheitsschau stolpert der Erzähler mit gewohnter Lakonie über eine ukrainische Hochzeit, probiert während der Armeezeit die Drogen seines usbekischen Kameraden Ulugbeck oder fabuliert über Wackelpudding in Riga. Dass Kaminers Frau Olga, die im vergangenen Jahr mit ihrem Erzählungsband "Alle meine Katzen" debütierte, hier nur als Rezept-Autorin und Heldin mancher Geschichten Wladimirs auftaucht, ist bedauerlich. Echte Kaminer-Fans werden es vermutlich verzeihen.