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Belletristik Belletristik: Deutsch-italienische Annäherung

Von Vanessa Walz 01.08.2005, 14:12

Reinbek/dpa. - Antonio Marcipane hat sich in der Fremde eingerichtet, amNiederrhein, in Krefeld in einem Reihenendhaus und lässt sich nichtbeirren: Nicht vom Argwohn und der Ablehnung seiner Nachbarn oder garvon seinen eigenen Unzulänglichkeiten. Er ist einer, der sich ungernan die Regeln hält und im Supermarkt Etiketten umklebt.

Als ausländischer Vorzeigepensionär von der Geschäftsleitung inden Ruhestand entlassen, blickt Antonio auf 37 Jahre Berufsleben alsGastarbeiter in Deutschland zurück. Seine neu gewonnene Freiheit mussnatürlich gebührend gefeiert werden und so schmiedet er auf derHollywoodschaukel eifrig Pläne. Erst einmal steht der traditionelleFamilienurlaub in seiner Heimatstadt Campobasso an und später dieErfüllung seines lang gehegten Kindertraums, einmal nach Amerika zureisen.

Wie unterschiedlich Antonio und sein deutscher Schwiegersohn dieFremde und damit das Fremdsein erleben, wird auf ihrer gemeinsamenReise nach New York deutlich und zieht sich als Thema beharrlichdurch den Roman.

Wo sich Antonio mit rührendem Stolz auf die eigenen Wurzeln beruftund in der Ferne das Vertraute sucht, bleibt sein Schwiegersohnängstlich-verkrampft und läuft in Manhattan «zur Fifth Avenue, diemir auf Anhieb gefällt, weil New York hier so ist, wie ich es aus demKino kenne».

Zum Leidwesen seiner Tochter spielt er in der süditalienischenHeimat gern die Rolle des «welterfahrenen Grandseigneurs», denn erist der einzige, der je von dort weggegangen ist. Dass seinEmigrantentum zuweilen mit der Verklärung seiner Geschichteeinhergeht, muss Tochter Sara immer wieder feststellen. Denn erverflucht seine Heimat immer dann, wenn er dort zu Besuch ist,während er in Deutschland sein Italien über alles liebt.

In unterhaltendem, ungezwungen-leichtem Ton begleitet Weiler seineFiguren in ihrem interkulturellen Zusammenleben. Dabei bleibt erimmer so dicht an ihren Eigenarten dran, dass diese nicht Gefahrlaufen, zu Klischees nationaler Identitäten zu verkommen. Der kauzigeAntonio und sein Krefelder Freund Benno Tiggelkamp sind in ihrerKomik vor allem dann lebendig, wenn Weiler sie selbst in direkterRede sprechen lässt. Es sind Antonios selbstgestrickte Weisheiten,die er in den Dialogen zum Besten gibt, und seine Sprache, die ihnschrullig, aber liebenswert machen.

Allerdings steigert Weiler die Situationskomik mitunter insAbsurde, wenn sich der erzählende Schwiegersohn im Central Park umBenno sorgt, weil dieser womöglich, «von Eichhörnchen überfallen...,von der joggenden Yoko Ono aufgelesen und auf John LennonsLieblingssofa verfrachtet wurde, wo sie ihn mit Donuts und Softeiswieder aufpäppelt». Manchmal verrennt sich Weiler auch in Pointen,die beliebig oder unmotiviert sind und daher schlichtweg nichtzünden.

«Antonio im Wunderland» erzählt lakonisch von deutsch-italienischer Annnäherung und Zusammengehörigkeit. Immer wieder vonPapa Antonio auf die Probe gestellt, wird sie im nächsten Moment mitgroßer Warmherzigkeit zelebriert. Egal, ob in Campobasso, Krefeldoder New York.

Jan Weiler: Antonio im WunderlandKindler Verlag, Reinbek272 S., Euro 16,90ISBN 3-463-40484-2