Bayreuther Festspiele Bayreuther Festspiele: Applaus zum Abschied vom Patriarchen

Bayreuth/dpa. - «Sie werden uns fehlen, wir werden Sie vermissen», sagte Festspielsprecher Emmerich Peter am Donnerstagwenige Stunden vor Beginn der letzten, der 1706. Vorstellung unterder Leitung des Enkels von Richard Wagner. Mit einem unsentimentalenLächeln und fröhlichem Winken quittierte der Patriarch in einemthronähnlichen Stuhl die Lobes- und Dankesworte seiner Mitstreiter. Zur Erinnerung überreichten ihm Regisseure und Dirigenten, Musiker und Sänger und die Mitarbeiter hinter den Kulissen ein zwei Meter großes Erinnerungsfoto mit fast allen 800 Mitwirkenden der 97. Bayreuther Festspiele.
«Wir verbeugen uns vor Ihnen heiter in dankbarer Verbundenheit,Freundschaft und Liebe», sagte Emmerich. Mit dem 28. August 2008endet eine Ära: 58 Spielzeiten tragen die Handschrift Wagners, der am Samstag 89 Jahre alt wird. Seit dem frühen Tod seines Bruders Wieland 1966 stand er 42 Jahre alleine in der Verantwortung am «Grünen Hügel». Wie kein Zweiter in der 132-jährigen Geschichte hat er die Festspiele geprägt und verkörpert.
«Wolfgang Wagner und die Festspiele sind vollständig miteinanderverschmolzen in einer einzigartigen wie absoluten Institution», sagteEmmerich. Für alle Protagonisten am Grünen Hügel sei Wagner«Prinzipal, Chef und nicht zuletzt auch eine Vaterfigur» gewesen -«keine von übermenschlicher oder gar furchteinflößender Dimension,vielmehr das genaue Gegenteil, nämlich zutiefst menschlich undverständnisvoll, um den einzelnen nicht minder besorgt als umsGanze». Emmerich beschrieb seinen Chef als «unprätentiös, pragmatischund mit einem eminent untrüglichem Gespür ausgestattet für daspraktisch Machbare und Nötige».
Mit Wagner nehme eine der letzten großen Gestalten des deutschenTheaterwesens Abschied von der Bühne. Unzählige Male sei er in seinemfast sechs Jahrzehnte langem Wirken als «Nestor der Theaterleiter»und als «Patriarch» angesprochen worden. «Solch pathetischerVerklärung und Überhöhung begegneten Sie stets mit leisem Spott undjenem urgesunden Realismus, der es mit sich brachte, dass Sieunangefochten fest in Ihrem fränkischen Boden wurzeln und sich nichtin irgendeinem Wolkenkuckucksheim einrichteten», beschrieb EmmerichWagners Realismus, seine guten Nerven und seinen Humor.
Zu Beginn der improvisierten Feierstunde mit Weißbier und Würstenscharten sich Schwester Verena, seine beiden Töchter und potenziellenNachfolgerinnen Katharina und Eva, Dirigent Christian Thielemann,Bayerns Kunstminister Thomas Goppel und der Karl Gerhard Schmidt, derlangjährige Chef der Mäzene von Bayreuth, zum «Familienfoto» um dengreisen Wagner. Nach der Laudatio warteten Mitwirkende mit einerRevue von Kostümen aller zehn Festspielwerke auf.
Das Defilee begann mit dem furchterregenden Gewand des Wotan ausWieland Wagners «Ring» bei den ersten Nachkriegsfestspielen im Jahr1951. Von Wolfgang Wagners erster Inszenierung in Bayreuth, der Oper«Lohengrin» 1953 ist nur noch die Hose des damaligen TitelheldenWolfgang Windgassen übrig geblieben. Warum? - «Nie sollst Du michbefragen», antwortete Moderator Stefan Jöris, seit Jahrzehnten einerder engsten Mitarbeiter Wagners, mit einem Zitat aus dem Libretto.Die Kostüm-Schau endete mit einer Szene aus Christoph Schlingensiefs«Parsifal»-Inszenierung, bei der Deborah Polaski als Brünnhilde ihrenSiegfried Wolfgang Schmidt wachküsst. «Es geht auch umgekehrt»,beendete Jöris die launige Vorstellung. Wenig später verließ WolfgangWagner die Bühne - seine Bühne gebückt, aber als glücklicher Mensch.dpa mp yybyf a3 bj
281416 Aug 08