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Bauahaus Bauahaus: Möbel-Klassiker vor Gericht

07.03.2001, 13:35

Düsseldorf/Dessau/dpa. - Leichtes Unbehagen war dem Vorsitzenden Richter am Düsseldorfer Landgericht durchaus anzusehen: Wohl nicht so häufig hat Gerold Neiseke und seine auf Urheberrechtsprobleme spezialisierte Kammer in einem Prozess zu entscheiden, wo feinsinnige Fragen von Ästhetik und Kunstgeschichte, deutscher Historie, des Verhältnisses von West- zu Ostdeutschland und dazu noch handfeste merkantile Interessen gleichsam in einer Akte gebündelt werden.

Per Gerichtsentscheid möchte der niedersächsische Möbelproduzent tecta (Lauenförde) seinem ostdeutschen Konkurrenten L.& L. Metallmöbel GmbH aus Stendal verbieten lassen, einen marktgängigen Hocker, 1926 vom Dessauer Design-Pionier Marcel Breuer entworfen, als Bauhaus-Klassiker weiterhin auf den Markt zu bringen.

Von einem am 18. April in Düsseldorf erwarteten Entscheid kann möglicherweise abhängen, ob unter anderem die Rechte angeblich neu in den Archiven in Berlin und Dessau entdeckter Entwürfe von Bauhäuslern für Lampen, Möbel oder Textilien bei der Stadt Dessau liegen, die den Markennamen «bauhausdessau» zur mittelstandsfördernden Vermarktung vorsorglich hat schützen lassen. Bisher galt das Bauhaus-Archiv in West-Berlin als unumschränkter Sachwalter dieser Angelegenheiten. Dessau muss sich sagen lassen, 1932 mit seiner starken NSDAP- Ratsfraktion das heute weltweit gerühmte Bauhaus geschlossen zu haben.

Während der detailreichen Ausführungen der Anwälte, die aus Urteilen des Reichsgerichtes ebenso zitierten wie aus internen Papieren der bedeutenden Kunstschule der 20er Jahre, lugte Richter Neiseke durch die Streben der vor ihm aufgebauten Original-Hocker Breuers, die als wertvolle Beweisstücke aus einem Museum entliehen waren. Ist das sachlich-schlichte Kleinmöbel auf seinen Stahlkufen nun eine geschützte Eigenschöpfung Breuers, die nur vom Rechte- Inhaber vermarktet werden darf?

Oder hat sich der später in die USA vertriebene Künstler sehr von den Flugzeugsitzen der Firma Junkers und Jugendstil-Vorbildern inspirieren lassen, wie der Anwalt des beklagten Stendaler Unternehmens behauptet. Zur Bekräftigung packt er einen fast ähnlichen Hocker des Wiener Jugendstil-Architekten Otto Wagner zusätzlich auf den Richtertisch.

Unwidersprochen bleibt bei allen Prozessbeteiligten jedenfalls die Feststellung des tecta-Anwaltes, der Fahrradfahrer Marcel Breuer sei vom geschwungenen Lenker seines Vehikels zum Möbel aus gebogenem Stahlrohr inspiriert worden. Doch so weit wollte Richter Neiseke nicht in die Pionier-Geschichte des Designs eindringen - «Sonst sitzen wir heute Abend noch hier», meinte er.