Ausstellungsprojekt «Carte Blanche» Ausstellungsprojekt «Carte Blanche»: Leipzig verteilt Freibriefe

Leipzig/ddp. - Von Ausverkauf war anfänglich die Rede unddavon, dass das Museum eines seiner zwei Ausstellungsgebäude komplettan Fremde vermieten werde. Die Direktorin der Leipziger Galerie fürZeitgenössische Kunst, Barbara Steiner, hatte Mühe, ihrungewöhnliches Vorhaben einer aufgeregten Öffentlichkeit zuvermitteln: Ab dem 26. Januar haben zehn private Akteure zwei Jahrelang die Gelegenheit, im Neubau des Museums Ausstellungen nach ihrenVorstellungen zu gestalten.
«Carte Blanche» (Freibrief) heißt das Projekt, für das dieBeteiligten - Unternehmen, Galeristen und Kunstsammler - vom Museumausgesucht wurden. Ihre Mitwirkung am Museumsbetrieb soll die Fragebeantworten, «wie das Verhältnis von öffentlicher Hand und Privatenaussieht, beziehungsweise, wie es in Zukunft aussehen könnte», sagtSteiner.
Dafür greifen die zehn tief in die Tasche. Sie bezahlen nicht nurdie Kosten für die Ausstellungen, also etwa den Transport und dieHängung der Kunst, sondern müssen auch die versteckten Ausgaben fürReinigung, Heizung, Aufsicht, Kunstvermittlung und Einladungskartenübernehmen. Nacheinander werden der mittelständische LeipzigerIT-Dienstleister Alpha 2000, die Leipziger Verlags- undDruckereigesellschaft, Brigitte und Arend Oetker, die LeipzigerGalerie Dogenhaus, Antonia von Fürstenberg-Janucek und Leon Janucek,die VNG Verbundnetz Gas AG, die Galerie Eigen + Art, Doris und KlausSchmidt, die Sachsen LB, Vivian und Horst Schmitter sowie derFreundeskreis Hans Brosch mit Ausstellungen vertreten sein.
Der Kulturkreis der deutschen Wirtschaft im Bundesverband derDeutschen Industrie (BDI) wird am Ende der zwei Jahre ein Symposiumfinanzieren. Damit unterstreicht das Museum den Anspruch, den es mit«Carte Blanche» verfolgt: «Wir betrachten das Vorhaben als einForschungsprojekt und die Eingeladenen als Modellfälle», sagt BarbaraSteiner. Da das Museum 1990 als Public Private Partnership, also alsgemeinsame Einrichtung von privater und öffentlicher Hand gegründetwurde, sind diese Kooperationen nichts Ungewöhnliches für das Museum.
Neu ist, dass die Kosten und Verstrickungen erstmals sichtbargemacht werden. Die Leistungen des Museums, vom Jahresprogramm bis zuden Einladungskarten, sollen mit Preisaufklebern versehen werden. Ein«Carte Blanche-Alphabet» wird die Schlüsselbegriffe der Debatten umdas Projekt aufgreifen. Das Spannungsfeld zwischen öffentlichemKulturauftrag und privatem Kapital thematisiert das Museum explizitin der Eröffnungsausstellung mit dem bildhaften Titel «FreundlicheFeinde».
In Interviews müssen alle zehn Beteiligten Auskunft über dieMotivation ihrer Teilnahme geben und sich zu ihrer Sicht auf dasVerhältnis von Kunst und Ökonomie äußern. Werke wie «Hauptversammlung(Regierung der Welt durch das Kapital)» des Fotografen AndreasGursky, Rosemarie Trockels «Das Capital (Alice in Wonderland)» oderdie verschwörungstheoretischen «Soziogramme» von Mark Lombardibeleuchten das Thema aus künstlerischer Sicht.