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Ausstellung «Wandel Halle» Ausstellung «Wandel Halle»: Von der Platte in den Wald

Von Günter Kowa 04.07.2006, 18:04

Halle/MZ. - Und obwohl er schon 2002 sein Amt gegen den Status des freiberuflichen Beraters getauscht hat, ist sein Name Grund genug, die Ausstellung "Wandel Halle" zur Kenntnis zu nehmen. Zur 1200-Jahrfeier Halles hat er sie kuratiert.

Erwarten kann man den Blick nicht nur eines Kenners und zugleich Akteurs der halleschen Stadtentwicklung, sondern auch eines Spezialisten der "Schrumpfungs"-Thematik sozusagen seit deren Geburtsstunde. Denn Busmann gehörte der Kommission an, die im Jahr 2000 im Auftrag der Bundesregierung den Wohnungsleerstand in den neuen Ländern diagnostizierte. Der daraus entstandene "Lehmann-Grube-Report" gilt als Auslöser eines Wertewandels, mit dem der "Stadtumbau" in den politischen Wortschatz einging.

Offenes Gebälk

Zunächst einmal hat das Ausstellungsprojekt der Stadt aber eines ihrer Industriedenkmale wiedergegeben. Mit Hilfe einer großzügigen Spende von Dow Chemicals konnte auf der Saline-Halbinsel eine "Großsiedehalle" saniert werden. Unter dem offenen Gebälk dieses Gebäudes wird also die Vieldeutigkeit des Ausstellungstitels schon im Umhergehen bewusst.

Offen konzipiert ist auch die Ausstellungsarchitektur, die thematisch von Insel zu Insel führt, allerdings den Raumeindruck mit hohen Trenn-Elementen auch empfindlich stört. Doch Busmann und sein Team nehmen vorrangig ihr sperriges Thema in den Blick und versuchen in puncto Anschaulichkeit ihr Bestes.

Das geht mal reichlich verspielt, wenn sie zum Herumwandern auf einer zum Tanzboden vergrößerten Luftaufnahme des Stadtzentrums einladen und durch Guck-Brillen den Jahrhunderte umspannenden Wandel von Häusern, Straßen und Plätzen vorüberziehen lassen. Wie das Leben im schrumpfenden Halle-Neustadt Blüten treibt, versinnbildlichen charakterstarke Fotos von Nachwuchs-Talent Sebastian Komnick. Nur wenn es um den allseitigen Abwärtstrend der Bevölkerungszahlen geht, bleibt der Besucher in einer Art Folterkammer der Statistik mit sich allein.

Sind wir vielleicht Augenzeugen eines epischen Dramas von Aufstieg und Niedergang? Fast glaubt man es, wenn man dem schrillen Lichtkegel über die Bevölkerungskurve folgt, die 1 000 Jahre lang dahindümpelt, dann jäh nach oben ausbricht und seit der Wende ebenso jäh absackt. Es geht zurück in den Naturzustand vor dem Großstadtwahn. Die Plattenbau-Siedlung Silberhöhe, prognostiziert der Planer im Zeitraffer mittels Computersimulation, verwandelt sich binnen 30 Jahren in einen Wald. Ökonomisch sinnvoll ist das zudem, ist doch zu beweisen, dass Leerstand auf Dauer teurer kommt als Abriss.

Vollendete Utopie

Doch die Wald-Vision ist im Grunde nichts anderes als lineare Stadtplanung rückwärts. "Stadtumbau" sollte doch etwas Neues, Unerprobtes sein. Aber bei Stadtteilen, die nicht so ohne weiteres aufgegeben werden können, ist es auch sehr viel schwieriger mit entsprechenden Lösungen. Ein Dilemma speziell für Friedrich Busmann: Er war de facto der Vollender der Fortschritts-Utopie von Halle-Neustadt, brachte Straßenbahn, Einkaufscenter, Farbe und (noch mehr) Kunst in den Stadtteil. Selbst sein Vorschlag, die (nach Neustadt führende) Hochstraße bei den Franckeschen Stiftungen durch einen Tunnel zu ersetzen, gehört streng genommen in diese Strategie, die jetzt zur Kehrtwende verdammt ist.

Der Stadtplaner Busmann predigt Stadtumbau, doch in seinem Element ist er da nicht. Breit vorgezeigt wird der Aufbau von Heide-Süd. Weniger Platz ist für die Regeneration von Vierteln des Industriezeitalters. Das Bemänteln der großen, ja sinnlosen Verluste auf diesem Gebiet - Beispiel Heilanstalt oder Zuckerfabrik - offenbart den eklatanten Mangel an vorausschauender Denkmal- und Leerstandspolitik im Stadtumbau. Der ist etwas anderes als nur Wandel.

Am Saline-Museum bis 10. Sept., täglich 10-18 Uhr.