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Ausstellung im früheren Naumburger Gefängnis Ausstellung im früheren Naumburger Gefängnis: Brudermord hinter Gittern

Von kai agthe 20.05.2015, 06:14
Die ehemalige Justizvollzugsanstalt in Naumburg mit dem baulich eingebundenen Schwurgerichtsgebäude von 1859.
Die ehemalige Justizvollzugsanstalt in Naumburg mit dem baulich eingebundenen Schwurgerichtsgebäude von 1859. Thomas Schmeisser Lizenz

naumburg - Das ist eine spannende Konstellation: In Naumburg trifft derzeit die Architektur der Berliner Schinkel-Schule auf die Malerei der Düsseldorfer Malerschule. Und das alles hinter alten Gefängnismauern.

Wer an der ehemaligen Justizvollzugsanstalt entlang geht, kommt an Botho Strauß nicht vorbei. Der 1944 in der Domstadt geborene Autor erinnert sich in seinem Buch „Herkunft“ nicht nur an seine Kindheit an der Saale, sondern auch an das Gefängnis. In diesem saß sein Vater in den 1950er Jahren in Untersuchungshaft. Der Vorwurf: Er soll Zucker geschmuggelt haben. Das aber war nur ein billiger Vorwand. Vielmehr wollte man Eduard Strauß zwingen, seine Beteiligung an einem pharmazeutischen Unternehmen den neuen Machthabern zu überlassen.

Nur ein Schicksal von vielen, die sich mit dieser Haftanstalt verbinden – und gewiss nicht das tragischste. Denn hier wurden nicht nur Todesurteile verkündet, sondern im angrenzenden Hof auch vollstreckt: zwischen 1865 und 1935 zehn an der Zahl.

Ein Bild mit Geschichte

Teil der seit 2012 leer stehenden JVA ist das frühere Schwurgerichtsgebäude, das von den Berliner Architekten Carl Ferdinand Busse und Reinhold Persius in Schinkels Rundbogenstil entworfen und zwischen 1855 und 1859 erbaut wurde. Für das Treppenhaus schuf Eduard Bendemann (1811-1889) – der aus Berlin stammte und der Düsseldorfer Kunstakademie vorstand – in den 60er Jahren des 19. Jahrhunderts mit „Der Tod Abels“ ein Monumentalgemälde, das den alttestamentarischen Brudermord und dessen Sühne durch Gott thematisiert.

Ein Werk, das eine ganz eigene Geschichte hat: Nach 1945 wurde es wohl nicht zuletzt wegen seines biblischen Motivs entfernt. Bis 1960 lagerte das Bild zusammengerollt im Dom, danach erhielt es in der Wenzelskirche am Markt einen abseitigen Platz zugewiesen, ehe es 1999 an seinen Ursprungsort, das Schwurgericht, zurückkehrte. In der JVA blieb Bendemanns Gemälde jedoch der Öffentlichkeit entzogen. Nun kann es bis Ende August betrachtet werden, bildet das Werk doch das Zentrum der Ausstellung über „Naumburg und die Düsseldorfer Malerschule“, die im früheren Schwurgerichtsgebäude zu sehen ist. Das besteht aus einem zweigeschossigen, querrechteckigen Hauptgebäude mit beidseitig vorspringenden Seitenflügeln, die einen eingeschossigen Vorbau einschließen. Auf der Südseite bildet eine über drei Geschosse verlaufende Apsis den Abschluss des Bauwerks.

Mehr Informationen zur Ausstellung in Naumburg lesen Sie auf Seite 2.

Veranstaltet wird die Schau vom Verein Kunst in Naumburg und kuratiert von dem Kunsthistoriker Guido Siebert. Mit welchen Erwartungen man auch immer das Areal des einstigen Gefängnisses und das frühere Gerichtsgebäude betritt: Sie werden in jedem Fall übertroffen. Das liegt einerseits an der streng-schlichten Architektur des Gerichtsgebäudes, das erstmals frei zugänglich ist, andererseits auch an der beeindruckenden Zahl von 90 Werken von Künstlern der Düsseldorfer Malerschule, mit der die Naumburger Schau aufwarten kann. Die wird im Treppenhaus mit Bendemanns Ölwachsgemälde und den Studienskizzen, die ihm vorausgingen, eröffnet. Zwischen 1860 und 1862 entwarf der Düsseldorfer Künstler die Komposition, die er in den folgenden zwei Jahren auf 3,60 mal 5,60 Metern ausführte. Dem Gemälde „Der Tod Abels“ begegnet man nochmals: Die Version im Wohnzimmerformat malte Bendemann 1864 für den Naumburger Juristen Eduard Pinder, dessen Sohn Wilhelm ein Jugendfreund des späteren Philosophen Friedrich Nietzsche war.

Der Saalestadt blieb Bendemann bis zu seinem Tod eng verbunden. Das beweist eine Reihe von Bleistift-Skizzen, die der Düsseldorfer Künstler bei einem Aufenthalt im Jahr 1882 in Naumburg anfertigte. Die kunstliebende Naumburger Bürgerschaft hatte im 19. Jahrhundert eine Sympathie für die Düsseldorfer Malerschule. Denn mit Friedrich Martersteigs „Müntzers letzter Gang“ ist im Rathaus ein zweites Monumentalgemälde eines Vertreters der Kunstakademie zu finden. Der Naumburger Kunstverein hatte das zwischen 1849 und 1851 entstandene Bild des Weimarer Malers, der in den 30er Jahren an der Düsseldorfer Malerschule studiert hatte, 1856 erworben.

Spezialist für religiöse Malerei

Der fraglos berühmteste Vertreter der Malerschule vom Rhein ist Wilhelm von Schadow (1788-1862), dessen Arbeiten im ehemaligen Verhandlungssaal zu sehen sind. Schadow war auf religiöse Malerei spezialisiert. Davon zeugt in der Schau sowohl das Triptychon „Christus, der Auferstandene, zwischen den Evangelisten Johannes und Matthäus“ (1824), das die Landesschule Pforta als Leihgabe zur Verfügung stellte, als auch das Bild „Christus das Gesetz erklärend“ (1827), das seinen angestammten Platz im Naumburger Dom hat. Mit seinen Christus-Darstellungen hat Schadow buchstäblich schulbildend gewirkt.

Dagegen lag ihm nichts ferner als die Landschaftsmalerei. Dennoch hat er sie an der Düsseldorfer Kunstanstalt nicht nur geduldet, sagt Kurator Siebert, sondern auch als eigenen Ausbildungszweig profiliert. Mit dem Erfolg, dass die Landschaftsmalerei das eigentliche Aushängeschild der Düsseldorfer wurde und diese auch einen nicht zu unterschätzenden Anteil an der Herausbildung des Impressionismus hatte. Neben einer Auswahl von Bildern, die vor allem deutsche, italienische und nordische Landschaften zeigen, wird die Ausstellung von Porträt-Gemälden und Werken der Genre-Malerei vervollständigt.

So gediegen wie die klug komponierte Ausstellung und ihre Begleittexte ist auch der reich illustrierte Katalog. Dessen Beiträge informieren nicht nur über die Geschichte der Düsseldorfer Malerschule und ihre Vertreter, sondern sie beleuchten auch die Baugeschichte des Naumburger Schwurgerichts und die Rechtsgeschichte, die in Naumburg - wo im Jahr 1816 das Oberlandesgericht für die preußische Provinz Sachsen seinen Sitz nahm - in den vergangenen 200 Jahren geschrieben wurde.

Informationen

zur Ausstellung: www.brudermord-im-schwurgericht.de

Aus dem Verhandlungssaal wurde eine Bildergalerie.
Aus dem Verhandlungssaal wurde eine Bildergalerie.
dpa Lizenz