Ausstellung Ausstellung: Die Kunst im Rücken der Macht
BERLIN/MZ. - In Dienst genommen wird die Kunst, seit es Mächtige gibt. Päpste, Kardinäle, große und kleine Fürsten, Despoten und Diktatoren nutzten Kunst, um ihre Herrschaft und ihr Mäzenatentum zu legitimieren und zu präsentieren. Und in Dienst genommen wird die Kunst auch von den Gewählten der Demokratie. Ebenso von den sammelnden, an Statussymbolen und Wertsteigerung interessierten Bankenmanagern und Wirtschaftsbossen. Auch das ist Kunstförderung - und die Mehrzahl der Künstler genießt es. Schätzt es. Will es.
Die Inkarnation dieses Künstlertyps in der Gunst der Amtsträger und Bosse ist Markus Lüpertz - beliebt, die Fotos sagen es, bei Politikern wie Managern gleichermaßen: der Bohemien und die Macht. Zeugnissen dieser Wahlverwandtschaft begegnen wir jetzt im Deutschen Historischen Museum (DHM) auf Schritt und Tritt. Etwa auf Fotos von der barocken Inszenierung von Lüpertz' "Philosophinnen" im Kanzleramt, ein Auftrag noch von Gerhard Schröder.
Es geht unübersehbar immer um eine Allianz, es geht um Abhängigkeiten zwischen Kunst und Macht, die ihre Macht durch Kunst zeigt. Und noch nie war moderne Kunst so sehr Statussymbol wie heute. Das DHM fragt also in seiner erhellenden Ausstellung "Macht zeigen - Kunst als Herrschaftsstrategie", wie die Wechselwirkung zwischen Politikern und Künstlern funktioniert. Wolfgang Ullrich, der Kurator, glaubt, die Selbstinszenierung der Mächtigen mit Kunst sei ein ausgeprägt deutsches Phänomen. Das unterstreicht er mit Großfotos der französischen Staatsmänner nach 1945. Die Oberhäupter der Grande Nation stehen vor Bücherwänden, nie vor Bildern.
Die Schau kommt ohne großen Pomp daher, umso mehr mit feinen ironischen Anspielungen. Oft nur in kleineren Formaten und sparsam kombiniert mit markanten Originalkunstwerken, berichten perfekt aufgezogene Fotografien von Bildreportern und Porträtisten der Bundesrepublik von der heutigen Kunst-Macht-Allianz. Der Kurator entschied sich für reduzierte, aber dafür markante Bezüge zur Historie, zur NS-Zeit und zur DDR-Ära, wo sich die Kunst-und-Macht-Konstellation gerade in den Zentralen Dresdner Kunstausstellungen manifestierte. Dies nun ist ein solch riesiges Kapitel für sich, dass es das Projekt gesprengt hätte.
Der Leitfaden für den Parcours beginnt in einer Vitrine mit Kupferstichen, darauf Kaiser Maximilian vor seinem Porträt auf der Staffelei des Malers Hans Burgkmair 1514. Daneben Bayernkönig Ludwig 1888 in gleicher Pose im Atelier seines Hofmalers Stieler. Ein Topos wird sichtbar, die Allianz von Mächtigen und Künstlern, die Übereinkunft beider, etwas Besonderes zu sein: der Fürst von Gottes Gnaden - der Künstler als Genie.
Pendants der Neuzeit zeigen Gerhard Schröder bei Jörg Immendorff, Deutsche Bank-Chef Hilmar Kopper bei Markus Lüpertz im Atelier. Und die Posen sind nahezu identisch. Das Foto von Werner Bartsch zeigt Schröder im Kanzleramt am Schreibtisch vor Baselitz' stürzendem Adler. Das Motiv ist eine starke Machtgeste: Schröder nimmt sich heraus, gegen die Konvention zu verstoßen, in dem er so seitlich lässig dasitzt. Moderne Kunst ist für Mächtige eben ausgesprochen attraktiv.
Fotogen müssen die Werke sein, dann werten sie das Image des davor Porträtierten auf. Diese strategische Prinzip beherrschen heutige Politiker wie Manager gleichermaßen. Zeigte sich Konrad Adenauer noch ausschließlich mit altmeisterlichen Kreuzigungsszenen, bekannte sich Helmut Schmidt noch in seiner Kunstwahl fürs Kanzleramt mit Werken der von den Nazis verfemten Avantgarde. Die Tür zu seinem Arbeitszimmer trug die Aufschrift "Nolde-Zimmer". Willy Brandt umgab sich kaum mit Kunst, er schätzte lieber die Gesellschaft der Literaten.
Dann steht man vor Fotos des derzeitigen Außenministers Guido Westerwelle: Der Sammler in seiner Wohnung vor Bildern von Norbert Bisky. Westerwelle zelebriert sich inmitten seiner Kunst als meditierender Feingeist, da verschafft ihm Nimbus: Es geht hier nicht darum, der Welt zu zeigen, was sich einer leisten kann. Es geht ums Vorführen intellektueller, sinnlicher Obsession, weltbürgerliche Kennerschaft, Mäzenatentums.
In dieser Pose ist Westerwelle den Bankmanagern und Unternehmenschefs nahe. Sie lassen sich, anders als der FDP-Politiker, der sich zu figürlicher Kunst bekennt, allesamt ablichten im mäzenatischen Habitus, vor abstrakter Kunst: kühle Insignie der Macht. Und so höhnt der Kunstphilosoph Bazon Brock in einem Wandzitat: "Mit Kunst im Rücken demonstrieren die Herren der Welt, dass sie hinreichend psychische Stabilität besitzen, um mit dem Chaos, dem Unsinn und den Beliebigkeiten in den Werken der Künstler spielend fertig zu werden."
Ein großes Rätsel bleibt, bei allen sonstigen Offenbarungen in dieser Schau denn doch: Was ist mit Kanzlerin Angela Merkel und der Kunst? In ihrem Amtszimmer herrscht Kunstdürre. Sie zeigt sich dem Fotografen lediglich mit einem Adenauer-Porträt: Eulenaugen und faltenplissiertes Gesicht, gemalt von Kokoschka. Adenauer pflegte zu sagen: "Nimm die Menschen so, wie sie sind. Es gibt keine anderen." Vielleicht braucht seine Enkelin das Konterfei deswegen in ihrer Nähe.
Bis 16. Juni: DHM, Pei-Bau, Hinter dem Gießhaus 3, täglich 10-18 Uhr
Katalog: 244 Seiten mit 330 Abbildungen, im Museum für 24 Euro