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Aus Halle in die Welt Aus Halle in die Welt: Der Engel kehrt zurück

Von Steffen Könau 16.11.2004, 18:37

Halle/Berlin/MZ. - Acht Jahre sind vergangen seit der letzten Platte, die Bobo, als Tochter einer kunstsinnigen Pfarrerfamilie in Hohenthurm (Saalkreis) aufgewachsen, mit dem London Session Orchestra eingespielt hatte. Nach drei erfolgreichen Alben mit ihrer Band Bobo In White Wooden Houses war das die erste internationale Produktion für die als "deutsche Björk" gerühmte Künstlerin: "Eine große Sache", sagt sie selbst. Die für die deutsche Pop-Hoffnung eigentlich zum Sprungbrett auf den internationalen Markt hätte werden können.

Hätte werden können. Wäre die Schöne mit dem Scheinwerferblick und dem Engelscharme nicht schlagartig auf eine Schicksalsachterbahn geraten. Ihr guter Freund und Wegbegleiter, der aus Halle stammende Gitarrist Frank Heise, begeht Selbstmord. Ein Schock. "Einfach weiter machen kam nicht in Frage." So viel Unglück, so viel Glück: Wenig später wird Bobos Tochter Camille geboren. "Mein kleines Mädchen", sagt sie, "hat meine Welt auch sehr verändert."

Musik ist für einen langen Moment Nebensache im Leben der Wahlberlinerin. Windeln wechseln statt Videodreh. Baby baden statt Popstarruhm. Natürlich habe sie nie aufgehört, Lieder zu schreiben und Gitarre zu spielen. "Musik gehört zu meinem Leben wie Atmen." Doch wie schon zuletzt mit der alten Band will Bobo Dinge ausprobieren, sich an Sachen wagen, die über den gefühlssatten Folk-Rock der frühen Tage hinausgehen. Mit Alaska spielt sie ein hartes Rock-Album ein. Mit der Rainbirds-Keyboarderin Ulrike Haage entsteht das Hörbuch "Last Words". Für die Ambient-Kapelle Saal 3 singt sie auf dem Album "Licht". Und als die alten Freunde von Rammstein eine Frauenstimme für den Song "Engel" suchen, landet Bobo wieder in den Charts. Wo sie auch derzeit zu finden ist - diesmal mit Blank & Jones, deren Hit "Perfect Silence" sie geschrieben und gesungen hat. "Ich liebe es, Dinge zu probieren", begründet sie ihre Wanderung durch Welten und Stile, "oftmals entsteht Neues einfach durch das Musizieren mit anderen Menschen." Gastauftritte seien für sie immer "wie ein Kurzurlaub in der Sonne", beschreibt die 37-Jährige, deren letzter Ausflug in die deutsche Geschichte führte. "Weil der Gedanke an mir genagt hat, dass ich als deutsche Künstlerin auch was Deutsches machen sollte."

Gemeinsam mit dem halleschen Musiker Sebastian Herzfeld nahm sich Bobo also alter Volkslieder an: Stücke wie "In einem Schneegebirge", eingespielt in Herzfelds Heimstudio in Halle, werden da zu gänsehautkribbelnden Geniestreichen aus akustischer Gitarre, Glockenspiel und gehauchtem Gesang.

"Inzwischen", sagt sie selbst, "habe ich fast alle meine Vorlieben einmal durch." Zeit, zurückzukehren zu den Wurzeln, die in ihrem Fall beim Singer / Songwriter-Rock mit Band liegen. Trotz der Konjunktur für deutsche Texte will Bobo mit ihrer neuen Band unter altem Namen genau dorthin zurück: In das Land, in dem Tori Amos, Dido und Heather Nova zu Hause sind, in dem Lieder Seelengesänge sind und nachdenkliche Texte gern mit großen Melodien spazieren gehen.

Ein neues Album soll im kommenden Jahr fortsetzen, was seinerzeit mit "Cosmic Ceiling" beendet schien. Erstmal aber kehrt der Engel auf die Bühnen zurück, im Gepäck "meine Lieblingssongs aus all den Jahren", in der Stimme immer noch dieses Staunen und Schmelzen: Kein Zweifel, Bobo ist zurück. Und Deutschlands darbender Pop hat wieder Grund zur Hoffnung.

Bobo gastiert am Samstag im halleschen Objekt 5, am 24. November im Jenaer Rosenkeller und am 27. November in Magdeburg, Projekt 7