Architektur Architektur: Zitadelle mit Zwiebeltürmen wächst in Magdeburg

Magdeburg/dpa. - Hinter den unverwechselbaren goldenen Zwiebeltürmchen ragt ein Kran hervor, an der teils schon rosafarbenen Fassade lehnen noch Baugerüste. Die Handwerker arbeiten emsig an der Vollendung des letzten Baus des österreichischen Architekten und Künstlers Friedensreich Hundertwasser (1928-2000). Nur noch wenigeMonate, dann soll die «Grüne Zitadelle von Magdeburg» - ein Wohn- und Geschäftshaus inmitten der sachsen-anhaltischen Landeshauptstadt -fertig sein. Die Übergabe des mehr als 27 Millionen Euro teuren Hauses ist nach zwei Jahren Bauzeit am 3. Oktober geplant.
«Hundertwasser hat jedes Detail festgelegt», berichtet KatjaSeifert vom Hundertwasser-Informationszentrum nahe des lange Zeit kontrovers diskutierten Neubaus. Täglich zeigen sie und ihre Kollegen Besuchern die Baustelle. Von allen Seiten führen Durchgänge in die beiden Innenhöfe. 55 Mietwohnungen, ein Hotel, Büros, ein Kindergarten und eine Ausstellung des Künstlers werden in dem Haus Platz finden.
Noch ist in den Innenräumen nur nackter Beton zu sehen, in einemGeschäftsraum aber hebt sich gegen das triste Grau bereits einkeramikbunter Knollenpfeiler ab. In diesen Raum wird ein Laden mit Naturprodukten einziehen. Doch einen Ansturm von Interessenten für ein Leben oder Arbeiten im Hundertwasser-Haus gibt es bisher nicht -vielleicht wegen der im Vergleich zum Magdeburger Immobilienmarkt höheren Mietpreise. Erst drei Viertel der Geschäftsräume sind bisher vermietet, bei den Wohnungen ist es sogar erst ein Fünftel.
Typisch für Hundertwasser («Die gerade Linie ist gottlos») sinddie schiefen Linien. Selbst der Zebrastreifen vor dem Haus wird nichtgerade verlaufen. Hundertwasser habe einem Entwurf Bildern von Zebrasbeigefügt, um zu beweisen, dass die Streifen der Tiere in der Naturnicht geometrisch angelegt seien, berichtet Seifert. «Nur die Naturkann uns Kreativität lehren», lautete eine These des Meisters.
Den Namen «Grüne Zitadelle» hat der Gebäudekomplex mit den 900verschiedenen Fenstern wegen seiner großzügigen Begrünung mit dreiMeter hohen Bäumen und Wiese - auch auf dem Dach. Mit dem Begriff«Zitadelle» wollte Hundertwasser an die mittelalterlichen Zeitenerinnern, als Magdeburg Festungsstadt war. Die «Grüne Zitadelle» istnicht nur der letzte Hundertwasser-Bau, sondern auch sein zweitesProjekt in Sachsen-Anhalt. In Wittenberg hatte der Architekt in den90er Jahren ein Plattenbau-Gymnasium umgestaltet.
Hundertwasser habe die «Grüne Zitadelle» konzipiert als Oase fürMenschlichkeit und Natur in einem Meer von rationellen Häusern,erklärte Joram Harel von der Wiener Hundertwasser-Stiftung beimRichtfest. Das Hundertwasserhaus mit der geschlossenen Westfassade,das nach Osten hin abfällt, reiht sich ein in den bunten Mix derEpochen in der im Krieg zerstörten Magdeburger Innenstadt: Im Umkreisstehen der Dom (1209-1520), die neoklassizistische Hauptpost (1895-1899) und Häuser im stalinistischen Zuckerbäckerstil. Im Keller desHundertwasserhauses wurden Steine der Nikolaikirche aus dem 13.Jahrhundert in die Pfeiler eingebaut.
Magdeburg hofft, mit dem Hundertwasser-Bau viele Touristenanlocken zu können. «Wir rechnen mit einem starken Zuwachs», sagt derGeschäftsführer der Landesmarketing-Gesellschaft Sachsen-Anhalt,Heinzgeorg Oette. Bereits jetzt sei die Nachfrage vonReiseunternehmen gestiegen.