Archäologie Archäologie: Gewalt in der Steinzeit

Eulau/dpa. - «In der Jungsteinzeit wurden mit Sesshaftigkeit sowie Ackerbau und Viehzucht die Grundlagen unser heutigen Zivilisation gelegt, erklärte Landesarchäologe Harald Meller. «Aber damit hatten die Menschen die gleichen Probleme wie heute: Zunahme von Gewalt und kriegerischen Auseinandersetzungen, Bevölkerungsexplosion und Ressourcenknappheit.»
Die gewaltsamen Hintergründe der Grabanlage von Eulau werdenderzeit mit aufwendigen Laboruntersuchungen im Landesmuseum fürVorgeschichte in Halle erforscht. «Ein Familiengrab wird bereits im nächsten Jahr in der Dauerstellung zu sehen sein, die komplette Sonderausstellung unter dem Titel "Gewalt in der Steinzeit" ist für 2008 geplant», kündigte Meller an.
Am Schädel einer 30- bis 35-jährigen Frau entdeckten dieArchäologen eine 7,5 Zentimeter lange Hiebspur. Das Opfer wurdezusammen mit seinen drei Kindern in einem gemeinsamen Grab bestattet. In einem anderen Familiengrab steckte bei einer 30-Jährigen eine etwa zwei Zentimeter lange Pfeilspitze in der Wirbelsäule. «Die Frau hat vielleicht noch ein bis zwei Wochen gelebt, aber der Blutverlust war wohl zu groß, das konnte damals kein Medizinmann stoppen», sagte Ganslmeier. Mit in ihrem Grab lag noch ein zwei bis vier Jahre altes Mädchen. Mutter und Kind schauten sich an. «Wahrscheinlich wurde dasKind erdrosselt», sagte der Archäologe. Als Beigabe lag bei derMutter ein gelochter Tierzahn, der Rest einer Halskette.
Der Steinzeitfriedhof in Eulau stammt aus der so genanntenschnurkeramischen Epoche und umfasst zwölf Familiengräber mit bis zu vier Toten. Die Schnurkeramiker verzierten ihre gesamten Gefäße mit dem Abdruck einer Schnur. Weltweit einmalig ist eine rechteckige Grab-Gartenanlage. Zudem sind einige Familiengräber von Kreisgräben umschlossen. Die Friedhofsfläche von 120 mal 100 Metern ist ungewöhnlich klein. «Bislang wussten wir nur, dass Schnurkeramiker ihre Toten weit verteilt auf einer Fläche von mindestens 300 mal 300 Metern in Einzelgräbern bestatteten», sagte Ganslmeier.
«Die Toten gehörten zu zwei bis drei verschiedenen Familien-Clans. Jeder Clan hat auf dem Gräberfeld seinen eigenen Platz», erklärte der Archäologe. «Die engen verwandtschaftlichen Beziehungen werden dadurch gezeigt, dass sich einige tote Familienmitglieder an den Händen halten, ein Kind schaut den Vater an, das andere Kind schaut die Mutter an.»
Die Familien wurden aber alle nach den strengen Kultregeln derSchnurkeramik-Epoche bestattet. Ihre Toten bestatteten sie stets mit angezogenen Beinen, auf der Seite hockend, wobei die weiblichen Personen immer mit dem Kopf nach Osten und die männlichen Toten immer mit dem Kopf nach Westen lagen. Die Blickrichtung aller Toten der Schnurkeramiker war stets gegen Süden gerichtet. «Das deutet darauf hin, dass sie an ein Weiterleben nach dem Tod glaubten», sagte Ganslmeier.
Der Wissenschaftler gräbt seit 2002 in der Gegend um Eulau. DasGräberfeld liegt nur zwei Kilometer vom steinzeitlichenSonnenobservatorium in Goseck und etwa 23 Kilometer vom Fundort der 3600 Jahre alten Himmelsscheibe von Nebra entfernt.

