1. MZ.de
  2. >
  3. Kultur
  4. >
  5. Annegret Hahn: Annegret Hahn: In Halle, draußen vor der Tür

Annegret Hahn Annegret Hahn: In Halle, draußen vor der Tür

Von Christian Eger 29.03.2002, 16:38

Halle/MZ. - Sachsen-Anhalt? Ach. "Darüberkann ich wenig sagen", sagt Annegret Hahn."Sachsen-Anhalt kenne ich doch kaum". Gut,dann lassen Sie uns über Halle reden. Istja auch Sachsen-Analt und um Schlusswortegeht es nicht.

Kleine Ulrichstraße, Halle, Kaffeeschuppen:so ein warmer, zeitungsraschelnder Vormittag.Licht, aber leicht verschlafen. Annegret Hahnwill nicht warten, läuft zur Theke, ordert,was fehlt: Wasser, ein großer Milchkaffee.Halle also, sagt sie, setzt sich, zündet eineZigarette an. Und siehe da, das Tischleindeckt sich: Kaffee, Wasser, rote Gauloises.Na dann, Guten Morgen! Frau Hahn, welchesBild hatten Sie von Halle, als Sie vor einemJahr herzogen, um Theater zu machen?

"Ich kannte die Stadt. Ich studierte Theaterwissenschaftenin Leipzig, Anfang der 70er Jahre. Ich hattewie viele dieses absolut graue Bild von Halle,dieses Nichtbild. Ich bin dann gelaufen, gelaufen,gelaufen, um zu schauen, ob es Sinn macht,hier etwas zu versuchen." Es machte Sinn."Da war eine neue Lebendigkeit, auch Schönheit."

Annegret Hahn, ??, geboren in der Uckermark,Mutter zweier erwachsener Söhne, ist die dritteThalia-Chefin seit der Wende, 1952 gegründetals Kinder- und Jugendtheater. Nach dem Studiumzog Annegret Hahn nach Karl-Marx-Stadt, dannBerlin - als Chefdramaturgin und Intendantinan der Volksbühne, bis zum Amtsantritt vonFrank Castorf. Leitung der SchillertheaterWerkstatt, dann Einsatz am fusionierten TheaterGreifswald-Stralsund. Fusionen, nein danke!,sagt sie heute. Und so schöne Sätze wie: "Icharbeite an der Zerstörung des konventionellenStadttheaters!" 1996 ging es ins Offene: freieArbeit mit eigener Gruppe für das KunstfestWeimar. Nun also Halle, eine Stadt, sagt sie,von schöner, auferstandener Architektur. WirdAnnegret Hahn hier von Freunden besucht, istschnell der Punkt erreicht, wo diese aus einemAnflug von Halle-Euphorie ein Haus kaufenwollen. Nein, sagt Annegret Hahn, geht mirnicht so. "Ich bin kein Freund von Gründerzeitfassaden."Halle aber liebt Fassaden. Und hohe, trutzigeMauern.

"Ich staune über den Burgencharakter der kulturellenInstitutionen", sagt Annegret Hahn. Die "Kulturinsel",die Moritzburg, die Kunsthochschule, die FranckeschenStiftungen - "als feste, unterschütterlicheCampa liegen diese Häuser in der Stadt." Halle,ein Ort, der sich selbst belagert? "Was fürein Kulturbegriff steckt dahinter?", fragtAnnegret Hahn. Und wer bewegt sich zwischenden Festungen? Die Politik? "Nein, es warendie Händler", sagt Annegret Hahn, "die fürerste Bewegung sorgten."

Woher rührt dieser Wille zum Burgenbau? Daist, sagt Annegret Hahn, zunächst die Stadt,die die zwei Industriealisierungswellen schwerverkraftete. Was da an neuen Siedlungen entstand,blieb als Fremdkörper liegen - am Rand. Halle-Neustadtzum Beispiel. Aber auch die City wurde vonder Wende erwischt. "Wenn ich zu sehr früherStunde durch die Stadt gehe, wundere ich mich:Die Straßenbahnen sind leer, kaum Verkehr,kaum Menschen. Und ich frage mich: Wie stelleich mir Halle in zehn Jahren vor?" Ja, wie?"Eine Stadt dieser Größenordnung hat nur eineChance, wenn sie sich offen zu ihren Problemenbekennt. Es kann nicht reichen, ein Zu-kurz-gekommen-seinzu kultivieren. Die Politiker müssen deutlichsagen: Das ist die Lage, das sind die Probleme -und sie stehen uns bis zum Hals."

Weiterlesen