Anhaltisches Theater Anhaltisches Theater: Niklas Ritter ist neuer Schauspieldirektor
DESSAU-ROSSLAU/MZ. - Zugegeben, besonders originell ist die Frage nicht. Stellen muss man sie trotzdem: Warum Hamlet? Was kann man dieser tausendmal erzählten, tausendfach gehörten Geschichte noch abgewinnen? Niklas Ritter ist um eine Antwort nicht verlegen: Für den neuen Schauspieldirektor des Anhaltischen Theaters Dessau ist Shakespeares Tragödie schlicht "das beste Stück, das ich kenne".
Die Mischung der politischen und privaten Aspekte, die Überzeichnung des Tragischen bis hin zur Komik haben es dem 1972 in Berlin geborenen Regisseur angetan. Und darum hat er sich das Stück für seine Antrittsinszenierung gewählt, die in dieser Woche Premiere hat - nachdem er sich bereits in der vergangenen Saison mit "Carmen Kittel" von Georg Seidel als Gast vorgestellt hatte. Auch bei Schleefs "Abschlussfeier" und der Oper "Chowanschtschina" war er bereits in Dessau präsent - durch Videos, mit denen er die Inszenierungen von Armin Petras und Andrea Moses nachhaltig prägte.
Dass Niklas Ritters Ästhetik stark von filmischen Vorbildern geprägt ist, spürt man auch im Gespräch über seinen "Hamlet". So vergleicht er das Finale, in dem vergifteter Degen und Kelch so lange vertauscht werden, bis am Ende alle auf der Strecke bleiben, mit dem absurden Showdown in Quentin Tarantinos "Reservoir Dog". Ständig, so sagt er, seien ihm während der Probenarbeit Filmsequenzen eingefallen, die sich mit Konstellationen der Shakespeare-Tragödie vergleichen ließen - ein weiterer Beleg dafür, wie zeitlos und aktuell zugleich dieses Werk sei. Dass Ritter den Geist des Vaters aber nicht als schemenhaftes Video über die Szene geistern lässt, sondern Hamlet mit einem echten Menschen konfrontiert, belegt die Ernsthaftigkeit seines Rollenwechsels.
Den hat er in der Vergangenheit u. a. schon am Maxim-Gorki-Theater Berlin und am Hans-Otto-Theater Potsdam vollzogen - mit Stücken wie "Westwärts" von Rolf Dieter Brinkmann oder "Enron" von Lucy Prebble, aber auch mit den Film-Bearbeitungen von Aki Kaurismäkis "Der Mann ohne Vergangenheit" oder demnächst mit Ingmar Bergmans "Das Schlangenei".
Studiert hat Ritter allerdings weder Schauspiel- noch Filmregie, seiner Profession nach ist er Autor. Das Studium am Literaturinstitut in Leipzig sei ihm später bei der einen wie der anderen Tätigkeit zugute gekommen, sagt er - bei der Suche nach Figuren und Bildern, der Analyse der Geschichten und Strukturen. Und nun hilft sein Renommee als Video-Künstler, interessante Kollegen nach Dessau zu holen. Wenn man sich die erste von ihm geplante Saison anschaut, kann man tatsächlich spannende Konstellationen und prominente Namen entdecken: Der selbst aus der Kultur-Nomenklatura stammende Lukas Langhoff wird sich in der Dramatisierung von Uwe Tellkamps Roman "Der Turm" mit der splendiden Isolation von DDR-Intellektuellen auseinander setzen.
Werner Eng, der in Dessau bereits als "Des Teufels General" überzeugte, soll seine Energie in die "Pension Schöller" einbringen. Und Ritter selbst will im Alten Theater Horvaths "Kasimir und Karoline" als großes Spektakel inszenieren - ein kraftvoller Auftritt, zu dem sich noch Dürrenmatts "Besuch der Alten Dame", das Weihnachtsmärchen sowie kleinere Formate wie die legendäre Reihe "Trash am Montag" und das neue Projekt "Wunschfilm" gesellen.
Womit überredet man Gäste wie Lukas Langhoff, der normalerweise in größeren Städten wie Bonn oder Potsdam arbeitet, zu einer Gastregie in Dessau? "Zunächst einmal mit dem Ensemble", sagt Niklas Ritter. Auch Werner Eng freue sich sehr auf das Schauspiel-Team des Anhaltischen Theaters, das viele interessante Typen vereine. Und dann müsse man natürlich auch mit dem eigenen "Mut zum Mut" punkten: Wenn man immer nur über die engen Grenzen der Provinz jammere, könne man schwerlich Andere begeistern. Dass sich dieses Selbstverständnis auch der langjährigen Zusammenarbeit mit Armin Petras verdankt, mit dem er für "Tristan (zu Heaven)" einst unweit von Dessau recherchierte, scheint ausgemacht. Ob es dieses Stück auch in Dessau geben wird? "Mal sehen", sagt Ritter.
Premiere von "Hamlet" am Anhaltischen Theater: Freitag, 19.30 Uhr