Angus Stone geht volles Risiko
Berlin/dpa. - Ihr zweites Album «Down The Way» zierte vor zwei Jahren die Spitze der Charts in der australischen Heimat und wurde auch in Europa zum Geheimtipp. Harmonieseliger Folkpop, gesungen und gespielt von Bruder und Schwester, die als hübsches Hippie-Paar auch optisch etwas hermachen - ja, man hörte und sah Angus & Julia Stone gern zu.
Weltweit eine Million verkaufte Platten stehen für die Geschwister zu Buche. Beide haben sich auf den Lorbeeren nicht lange ausgeruht: Im Mai ließ Julia mit ihrem zweiten Solo-Album bereits aufhorchen, jetzt bringt Angus sein Debüt an den Start.
Unschwer lässt sich feststellen, dass der Multi-Instrumentalist und Hauptsongwriter des Geschwister-Duos mit «Broken Brights» (EMI) den deutlich eindrucksvolleren Nachweis seines Talents abliefert. Während «By The Horns» von Julia Stone - wie schon ihr Debüt «The Memory Machine» (2011) - als freundliche, eher unscheinbare und schüchterne Mädchen-Platte daherkommt, geht der Bruder stärker ins Risiko. Angus Stone erweist den durchaus identifizierbaren Vorbildern nicht nur brav seine Referenz, sondern schafft mit einer Reihe fast schon klassisch anmutender Rocksongs etwas Eigenständiges.
Zweifellos hat der Australier bei Neil Youngs bahnbrechenden Countryrock-Alben der 70er Jahre gut zugehört (nur ein Beispiel: das melancholische Gitarre/Mundharmonika-Arrangement von «The Wolf And The Butler»). Auch Bob Dylan hat im Sound und im Gesang von Angus Stone Spuren hinterlassen - vor allem der in ein dramatisches Geigen-Crescendo mündende Opener «River Love» oder «Only A Woman» nehmen Anleihen beim großen Meister. Die zartesten Songs des Albums erinnern an Paul Simon. Und auch jüngere US-Songwriter wie Ryan Adams oder Jakob Dylan kommen in den Sinn, wenn man diese 13 Lieder hört.
Es wäre aber ungerecht, «Broken Brights» deswegen als epigonal abzutun. Angus Stone kann einfach schöne, originelle Melodien schreiben, und er sorgt als alleiniger Produzent des Albums auch gleich für die angemessen interessante Umsetzung.
So kombiniert er für den Song «Monsters» ein pluckerndes Banjo mit trauriger Trompete, in «Wooden Chair» pfeift und klatscht er aufgekratzt zur Akustikgitarre. Im treibenden «Bird On The Buffalo» oder im Bluesrock-Abschluss «End Of The World» bietet Stone verzerrte Gitarren gegen die Lagerfeuer-Romantik auf. Und in «Clouds Above» mischt er seine smarte Stimme weit in den Hintergrund, um dem herrlichen Solo des Trompeters C.J. Camerieri den verdienten Raum zu geben.
«Ich hatte die Möglichkeit, ein wenig lockerer zu sein und etwas mehr Spaß zu haben», beschrieb Angus Stone im Interview einen Hauptunterschied zwischen den Solo-Aufnahmen und der Arbeit mit seiner Schwester Julia. «Diesmal konnte ich mir das Steuer allein greifen und ein paar Mal die Reifen richtig durchdrehen lassen.»
Das hört man vor allem im düster dröhnenden Groove von «It Was Blue», wo er dem Klischee des netten wuschelköpfigen Folkie-Blumenkindes vom fünften Kontinent energisch widerspricht. Dass in Angus Stone ein Rocker steckt, hatte er schon vor Jahren mit dem Nebenprojekt Lady Of The Sunshine angedeutet, indem er sich an raueren Liedern versuchte. Auf weitere Überraschungen darf man sich bei diesem hoch talentierten Sänger und Songschreiber schon jetzt freuen - ob demnächst wieder mit Schwester Julia oder nochmal solo.