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Alanis Morissette Alanis Morissette: Sängerin ist in der Normalität angekommen

Von Andrej Sokolow 12.05.2004, 06:44
Die kanadische Musikerin Alanis Morissette (Foto von 2004). Sie zählt zu den erfolgreichsten Musikerinnen der 90er Jahre. Mit ihren neuen Album "So called Chaos" entfernt sie sich einen Schritt von der alternativen Rock-Musik, mit der sie berühmt geworden ist, hin zum Pop. (Foto: dpa)
Die kanadische Musikerin Alanis Morissette (Foto von 2004). Sie zählt zu den erfolgreichsten Musikerinnen der 90er Jahre. Mit ihren neuen Album "So called Chaos" entfernt sie sich einen Schritt von der alternativen Rock-Musik, mit der sie berühmt geworden ist, hin zum Pop. (Foto: dpa) WEA records/Sheryl Nields

Hamburg/dpa. - Vergessen Sie die Alanis Morissette, die Siekannten. Dieses seltsame, verschrobene Wesen, dem man im Film dieRolle von Gott abkaufte, wenngleich man bei ihrer Musik anDepressionen und das Leid der Welt dachte. Die neue Alanis ist ganzanders. Das lange Haar ist einer praktischen kurzen Frisur gewichen.Perfekt gestylt, erinnert sie mit ihrer dezenten, bequemen Kleidungäußerlich eher an eine bodenständige Firmenangestellte, denn an einenStar der alternativen Rock-Szene. Die Kanadierin wird in Kürze 30,hat endlich eine funktionierende Beziehung und veröffentlicht mit«So-Called Chaos» das normalste Album, das sie bisher gemacht hat.

Angesichts so rabiater Veränderungen drängt sich natürlich dieFrage auf, wie echt das Image der vergangenen Jahre war. «Es warsicherlich nicht mein ganzes Ich, das bisher zu sehen war», gibtMorissette zu. «Ich denke, dass ich den Teil von mir auslebte, der zufeige war, sich mit meinen Ängsten und Sorgen auseinanderzusetzen.Ich hatte Probleme, versuchte es aber nicht, sie zu lösen, sondernsetzte mich hin und schrieb einen Song.»

Ein wenig ist von dieser alten Alanis übrig geblieben - in denSongs der neuen Platte. Die Melodien sind zwar griffiger als früher,der Grundton optimistischer, und der satte Sound erinnert mehr anehrlichen Mainstream-Rock. Aber hin und wieder taucht diese bekanntetraurige, distanzierte Note auf, dieser Pessimismus der Klügeren, dieman aus «Ironic» oder «You Oughta Know» kannte.

Möglicherweise war Morissette für ihr eigenes Gefühl zu früh alsreife, erwachsene Künstlerin wahrgenommen worden. Schließlich wirktesie schon vor zehn Jahren in den Videos deutlich älter als die gerademal 21, die sie in Wirklichkeit war. Ihr Debütalbum «Alanis»,das es 1991 kaum über die Grenzen Kanadas schaffte, war alles andereals alternativ, sondern eine Sammlung von tanzbaren Songs undBalladen.

Heute wirkt Alanis Morissette jünger und lebenslustiger.Vielleicht halfen die Lebensratgeber-Bücher, die sie seit ihrem 15Lebensjahr verschlingt. Dank ihnen habe sie gelernt, auch ihrenegativen Seiten und Schwächen zu lieben, sagt sie. Deshalb schreibtsie jetzt selbst ein Buch, das «allen helfen soll, denen es nicht sogut geht».

Auf jeden Fall hat die neue Morissette aber einen rabiaten Sinnfür Humor. Beim diesjährigen kanadischen Musikpreis Juno Awards risssie in Anspielung an das Busen-Malheur von Janet Jackson, die wegeneiner entblösten Brust in die Schusslinie von US-Sittenwächterngeraten war, plötzlich die Kleidung von sich und blieb nackt auf derBühne stehen - scheinbar. Erst auf den zweiten Blick war zu erkennen,dass sie hauteng in körperfarbenen Stoff verhüllt war, allerdings mitaufgenähten überdimensionalen Brustwarzen.

Eine «Reaktion auf die Reaktion» auf den Jackson-Vorfall sei diesgewesen, sagte sie später. «Ich freue mich, aus einem Land zu kommen,in dem es keine Zensur gibt und man noch keine Angst vor demmenschlichen Körper hat.»

Nachdem sie im Film «Dogma» als Gott in Erinnerung geblieben ist,will Morissette kleine Rollen in weiteren Streifen übernehmen, auchwenn die Schauspielerei ihr eigentlich Angst mache, weil man dabei soverletzlich sei, sagt sie. Dabei kann sie sich mit neuem Gesichtjetzt nicht mehr wie früher hinter ihrem langen Haar verstecken. DieHaare habe sie sich selbst schrittweise abgeschitten: «Ich denke,wenn ich es gleich so kurz gemacht hätte, hätte ich einen Herzinfarktgekriegt.»