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30 Jahre Schimanski 30 Jahre Schimanski: Der umstrittene «Bulle» aus dem Revier

Von Markus Peters 27.06.2011, 11:32
Archivbilder aus den Jahr 2006 (l) und 1981(r) zeigen den Schauspieler Götz George in seiner Rolle als Duisburger «Tatort»-Kommissar Horst Schimanski. (FOTO: DPA)
Archivbilder aus den Jahr 2006 (l) und 1981(r) zeigen den Schauspieler Götz George in seiner Rolle als Duisburger «Tatort»-Kommissar Horst Schimanski. (FOTO: DPA) dpa

Duisburg/dapd. - Mit dem «Tatort: Duisburg-Ruhrort» beganndamals ein neues Kapitel deutscher Fernsehgeschichte. Und es begannmit viel Aufregung.

Denn noch während der Ausstrahlung der Sendung erhielt der WDRHunderte Anrufe empörter Duisburger, die sich über die Darstellungihrer Stadt beschwerten. Der raue «Bulle» mit dem großen Herzen fürVerlierer polarisierte: «Der Ruhrpott kocht: Sind wir alle Mörderoder Trinker?» fragte die «Bild am Sonntag», während die «Neue RuhrZeitung» forderte: «Werft den Prügel-Kommissar aus dem Programm!»Später wurden akribisch Strichlisten geführt, wie oft Schimanski dasschlimme «Sch...»-Wort verwendet.

«Mich hat immer das Neutrale der Kommissar-Figuren genervt, diein ihrem Trenchcoat herumliefen. Die zwar immer traurig geguckthaben, aber dann doch nicht in den Fall involviert waren», erzählteRegisseur Hajo Gies, einen der Erfinder der Figur, in einemInterview. Deshalb seien alle Schimanski-Krimis ausschließlich ausder Perspektive des Kommissars erzählt. Das private VerhältnisSchimanskis zum Fall sei dabei wichtiger als der Fall selber.

29 Schimanski-«Tatort»-Folgen wurden bis 1991 ausgestrahlt, zweidavon («Zahn um Zahn» und «Zabou») waren auch im Kino zu sehen.Einige Episoden davon, wie «Kuscheltiere» oder «Das Mädchen auf derTreppe» zählen wohl mit zum Besten, was das deutsche Fernsehen inden 1980er Jahren produziert hat. Als die Drehbücher flacher wurden,schwebte Schimanski Ende 1991 mit einem Drachengleiter davon - umknapp sechs Jahre später als eigenständige Reihe außerhalb des«Tatort» zurück zu kehren.

Duisburger waren erbost über das Bild ihrer Stadt

Fans denken heute noch mit Wehmut zurück, wie kongenial derBauchmensch mit der unbeschreiblichen Tarnjacke mit seinen GegenpolChristian Thanner - gespielt von dem 1994 gestorbenen Eberhard Feik- harmonierte. Heute ist noch Chiem van Houweninge als «Hänschen»von der Stammbesetzung der frühen Folgen dabei.

Auch die Duisburger haben inzwischen ihren Frieden mit demRüpelkommissar gemacht. «Als vielleicht letzte Filmfigur durchlebteSchimanski/George vor Ort das Ende der ehemaligen Industriestadt,mit ihren Schloten, Kränen und heruntergekommenen Ecken», heißt esauf der Homepage der Stadt. Allerdings wird auch die «breiteEmpörung über die Darstellung des verzerrten Stadt-Images» nichtverschwiegen.

Insbesondere die 1999 gezeigte Folge «Rattennest», eineGeschichte um Junkies und Prostitution, erzürnte die Stadtoberen sosehr, dass daraus fast eine Provinzposse wurde. «Wir sind doch nichtder Arsch der Nation», polterte seinerzeit Bürgermeister HeinzPletziger. Auch die SPD-Fraktion sprach von einem «schlimmen Film».Andererseits schlug die Duisburger Juso-Hochschulgruppe 1992 vor,die damals noch namenlose Gesamthochschule der Stadt nach HorstSchimanski zu benennen.

Der bislang letzte Schimanski «Schuld und Sühne» wurde EndeJanuar von 9,2 Millionen Zuschauern gesehen. Aktuell sei keine neueFolge in Planung, sagte eine WDR-Sprecherin auf dapd-Anfrage. Dasbedeute aber keineswegs das Ende der Reihe: «Die Schimanski-Filmewerden ja sowieso eher unregelmäßig produziert.» Der WDR will aberauch einen völlig neuen Ruhrgebiets-Tatort an den Start bringen.

Und damit könnte es eng werden für «Schimmi», zumal der72-jährige Hauptdarsteller Götz George inzwischen längst dasRentenalter erreicht hat.