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125 Jahre «Heidi» 125 Jahre «Heidi»: Das Schweizer Naturkind mit Frankfurt-Trauma

Von Gregor Tholl 14.04.2005, 05:54
Die Reproduktion zeigt ein Filmplakat von 1952, das für den Schweizer Klassiker «Heidi» der Praesens-Film mit Heinrich Gretler, Elsbeth Sigmund und Thomas Klameth warb. (Foto: dpa)
Die Reproduktion zeigt ein Filmplakat von 1952, das für den Schweizer Klassiker «Heidi» der Praesens-Film mit Heinrich Gretler, Elsbeth Sigmund und Thomas Klameth warb. (Foto: dpa) Cinematheque Suisse

Frankfurt/Main/Zürich/dpa. - Bis heute gehört «Heidi» zu den erfolgreichstenErzählstoffen der Kinderliteratur.

Laut Spyri-Museum im schweizerischen Hirzel, der Geburtsstadt derAutorin im Kanton Zürich, wurde das Buch in 50 Sprachen übersetzt undin ebenso vielen Millionen Exemplaren gedruckt. «Für mich war Heidineben dem Nesthäkchen die erste literarische Freundin», sagt eine 81-jährige Frankfurterin. Was heute für viele Harry Potter ist, warfrüher oft «das» Heidi, wie es auch im zweiten Roman immer genanntwird («Heidi kann brauchen, was es gelernt hat» (1881)).

Spätere Generationen lernten die Geschichte des naturnahenWaisenkindes mit «Frankfurt-Trauma» vielfach nicht als Buch, sondernals Spiel- oder Trickfilm kennen. Besonders bekannt wurden deramerikanische Film mit Shirley Temple (1937) sowie eine japanischeZeichentrick-Serie aus den 70er-Jahren. In Deutschland erreichtederen Jodel-Titelsong von Christian Bruhn Kult-Status - zumindest beiden 1970er-Geburtsjahrgängen. Inhaltlich hält sich die animierteSerie erstaunlich nah an das Buch. Allerdings fehlen der japanischenProduktion oft die für Spyri wichtigen europäisch-religiösen Bezüge.Veränderungen der Heidi-Handlung waren übrigens schon recht frühmöglich, da das Urheberrecht damals bereits 30 Jahre nach dem Tod derAutorin erlosch. Heute dauert dies 70 Jahre.

Die Leiterin der Forschungsabteilung der Johanna Spyri-Stiftung inZürich, Verena Rutschmann, weiß viel über Heidi und ihre Erfinderin.Die als Johanna Louise Heusser geborene Spyri, die gerne Droste-Hülshoff und Goethe las, habe zeit ihres Lebens unter den gerade fürFrauen strengen bürgerlichen Konventionen des 19. Jahrhundertsgelitten. Dies verarbeitete sie offenbar auch in den Frankfurt-Passagen der Heidi-Geschichte, in denen das Mädchen von der Enge derStadt, in der man nicht gefahrlos hinauslaufen kann wie auf der Alm,sowie den strengen Erziehungsmethoden des Fräulein Rottenmeier krankwird.

Durch ihre Familie und ihren Glauben - sie war pietistisch erzogen- war Spyri öfter in Bremen. Warum sie sich als krankmachende StadtFrankfurt aussuchte, ist nicht ganz klar. «Sie kannte Frankfurt nurvon der Durchreise, aber wahrscheinlich wollte sie keine vom Adelgeprägte Großstadt und auch keine katholische nehmen», meintRutschmann. Zudem sollte die Stadt weiter weg von den Alpen sein alsetwa München. So kam es zur Wahl der Handelsstadt am Main. Im frühersehr bürgerlichen Frankfurt konnte Spyri literarisch das Leid desNaturkindes voll entfalten, sagt Rutschmann. Heidis Erfinderin littübrigens, trotz eines äußerlich reichen Lebens, jahrelang anDepressionen. Einziges Heilmittel für die Autorin - und so auch fürihre Figur Heidi - wurde der Glauben.

Für die Schweizer ist «Heidi» bis heute wichtig: Eine ganze Regionim Norden Graubündens rund um das Städtchen Maienfeld wird heute als«Heidiland» vermarktet. Der Stadtpräsident Christian Möhr auf derenInternetseite: «Den relativ hohen Bekanntheitsgrad verdankt Maienfeldnatürlich dem Heidi.» Zu Heidis 125. Geburtstag wird in diesem Sommerdort auch ein Musical aufgeführt.

Wer möchte, kann Heidi in diesem Monat übrigens in und umFrankfurt als Theaterstück sehen. Zwischen Alpenglühn und Großstadt-Trauma zeigt das Berner Theater Kolypan «Heidi» in einer 60 Minuten-Fassung.

(Theater-Termine: 20.4. GallusTheater Frankfurt (Starke-Stücke-Festival), 21.4. KulturforumDortelweil Bad Vilbel, 23.4. Theaterhaus Frankfurt, 24./25.4.Stadttheater Rüsselsheim, 26./27.4. Bürgerhaus Dreieich-Sprendlingen).com, www.heididorf.ch)