100 Jahre Salvador Dalí 100 Jahre Salvador Dalí: Spanien feiert einen begnadeten Provokateur
Madrid/dpa. - War Salvador Dalí ein Genie oder nur einPossenreißer, der seine Zeitgenossen stets aufs Neue zu verblüffenwusste? Der große surrealistische Künstler (1904-1989) steht auch 15Jahre nach seinem Tod noch im Mittelpunkt von Debatten. In diesemJahr wird über ihn und sein Werk besonders heftig gestritten, dennSpanien erklärte 2004 zum «Dalí-Jahr». Am 11. Mai wäre der Maler,Bildhauer und Performance-Künstler 100 Jahre alt geworden.
Ausstellungen in Spanien und anderen Ländern geben einen Einblickin das Schaffen Dalís. Auf Seminaren und Kongressen debattierenExperten über den Surrealisten. Im Dalí-Museum in Figueras inNordostspanien, der Geburtsstadt des Künstlers, übertrifft derAndrang alle Erwartungen. Das umgebaute Stadttheater, in dem sichauch das Grab des 1989 gestorbenen Malers befindet, ist eines dermeistbesuchten Museen Spaniens.
Dalí war ohne Zweifel einer der größten Exzentriker derKunstgeschichte und ein begnadeter Provokateur. Im sittenstrengenSpanien führte er eine Blondine nackt an einem Hundehalsband durchein Dorf. Auf seinen Gemälden ließ er Uhren wie Käse zerschmelzenoder eine Giraffe in Flammen aufgehen. Einem Werk gab er den Titel:«Manchmal spucke ich voller Freude auf das Bild meiner Mutter.»
Sein Show-Gehabe verstärkte seinen kommerziellen Erfolg, aber eshatte auch zur Folge, dass er als Künstler zuweilen unterschätztwurde. Vielen ist Dalí eher wegen seines ausgefallenen Schnurrbartsin Erinnerung als wegen seiner Werke. «Er war in gewisser Hinsichtein Clown, aber kein Hampelmann, der sich manipulieren ließ», meintder Dalí-Experte Ignacio Gómez de Liaño.
«Dalí wusste sich selbst besser zu verkaufen als sein Werk. Er wareine Ikone der Massenkultur», betont der Autor Javier Pérez Andújarin einer kürzlich erschienenen Biografie. Dem Künstler machte esnichts aus, wenn seine Werke gefälscht wurden. Im Gegenteil: Er sahdarin einen Beweis für seine Größe. Dalí leistete Fälschungenzuweilen sogar Vorschub, indem er leere Blätter mit seinem Zeichenversah.
Über Selbstzweifel schien er erhaben gewesen zu sein. «Ich bin derSurrealismus», behauptete er. Der Biograf Ian Gibson meldetallerdings Zweifel an der Genialität des Künstlers an: «Er war eingroßer Maler, aber kein Genie.» Nach Ansicht des Iren hatte Dalíseine beste Zeit von 1926 bis 1938. Danach habe er sich wiederholtund sei zu einem «besessenen Showman» geworden.
Die Ursache für den Niedergang sieht Gibson darin, dass derKünstler seine homosexuellen Neigungen nicht eingestehen wollte. DieKunst sei zu einer Maske geworden, hinter der Dalí seine Ängsteverbergen wollte, meint der Autor. Dass der Künstler dennoch Erfolghatte, verdankte er auch seiner Frau Gala. Die gebürtige Russin warDalís Muse und Managerin. Zugleich hielt sie die Spleens ihres Mannesin Grenzen.
Im Laufe der Zeit wurde die Beziehung der beiden immerabsonderlicher. Gala umgab sich im Schloss Púbol, das der Maler fürsie erstanden hatte, im hohen Alter mit jungen Liebhabern. Dalí, derintimen Körperkontakt verabscheute, zog sich ins Fischerdorf PortLligat zurück und versammelte einen «Hofstaat» von teilszweifelhaften Gestalten um sich.
Zum Dalí-Jahr entbrannte nun ein neuer Streit. Der Franzose RobertDescharnes startete eine Initiative, die Überreste des Malers in dasSchloss Púbol umzubetten, wo bereits Gala begraben ist. «Dies war derWille des Künstlers», behauptet der frühere persönliche SekretärDalís. «Das wurde damals notariell beglaubigt.» Die Dalí-Stiftungwill davon nichts wissen: «Das Grab ist da, wo es sich befindet, gutaufgehoben.»
Die Stiftung, die Dalís Nachlass und die Museen verwaltet, liegtmit dem Ex-Skretär bereits seit Jahren in einer anderen Sache inStreit. Der Franzose führt mehrere Prozesse gegen die Organisationund den spanischen Staat. Nach seiner Darstellung hatte Dalí einervon Descharnes gegründeten Firma die Verwaltung der Autorenrechteüber das Werk bis zum 11. Mai 2004 übertragen. Dabei soll es, wie dasNachrichtenmagazin «Tiempo» berichtet, um eine Summe von bis zu 50Millionen Euro gehen.