Zivildienst Zivildienst: Neue Modelle des Helfens brauchen viel Fantasie
MZ. - Von einer Kommission, die Perspektiven für die Zukunft des Zivildienstes aufzeigen soll, ist mit Recht zu erwarten, dass sie nicht in erster Linie den möglichen Abschied von einer allseits respektierten und längst unentbehrlich erscheinenden Institution betrauert. Die vom Bundesfamilienministerium eingesetzte Expertengruppe hat in ihrem Bericht den einzig vernünftigen Ansatz gewählt, das Ende des Zivildienstes in seiner jetzigen Form nicht mit der Aushebelung unseres Wohlfahrtsstaats gleichzusetzen, sondern als Chance zu begreifen, der Zivilgesellschaft neue Impulse zu geben. Die Umwandlung - weg vom Zwang, hin zur Freiwilligkeit - könnte ein klassisches Beispiel dafür werden, wie sich aus der Not eine Tugend machen lässt.
Bei allen Überlegungen sollte nicht vergessen werden, dass diese Errungenschaft der Bonner Republik, gegen erbitterte Widerstände hart erkämpft, ein hohes Gut darstellt, ein Erfolgsmodell, das den jungen Demokratien in Osteuropa als Vorbild dient. Es ist noch gar nicht so lange her, dass manche von denen, die jetzt ein Loblied auf "unsere Zivis" anstimmen und die hohe gesellschaftliche Akzeptanz ihres Einsatzes rühmen, die Wehrdienstverweigerer, die sich auf ihre Gewissensnot beriefen, als vaterlandslose Gesellen und als Drückeberger verunglimpft haben.
Mit dem wahrscheinlicher werdenden Aus für den Zivildienst ist unweigerlich der Verlust an sozialem Lernen verbunden. Die durch Konfrontation mit Krankheit und Leid gewonnene Lebens-Erfahrung kann durch kein Sabbatjahr und kein noch so intensives Auslandssemester vermittelt werden.
Es kommt darauf an, möglichst viel von dieser Kultur des Helfens und Dienens, die für eine humane Gesellschaft unverzichtbar ist, hinüberzuretten in heute allenfalls schemenhaft erkennbare neue Einsatz-Modelle. Viel Fantasie ist gefragt, um dieses Engagement attraktiv und flexibel zu gestalten. Das große Interesse am Freiwilligen Sozialen Jahr widerlegt alle Pauschalurteile, junge Leute seien blind für die Nöte ihrer Mitmenschen. Allen Unkenrufen zum Trotz, die Deutschen seien zu einem Volk von Egoisten verkommen, belegen unzählige Beispiele, dass es in allen Generationen eine ausgeprägte Bereitschaft zur ehrenamtlichen Verantwortung für andere gibt.
Auf diese stillen Ressourcen gilt es zu setzen, auch wenn es illusorisch erscheint, allein auf Freiwilligkeit zu bauen, um einen Kollaps in unserem Pflegesystem zu vermeiden. Unabdingbar ist, dass die knapp 900 Millionen Euro Haushaltsmittel auch künftig uneingeschränkt zur Verfügung stehen. Die neuen Helfer können das professionelle Pflegepersonal nicht ersetzen, trotz der verbreiteten Neigung, Zivis als billige Arbeitskräfte voll verantwortlich einzusetzen. Sie stellen eine unentbehrliche Ergänzung dar, damit menschliche Zuwendung in Heimen und Hospitälern sich auch künftig nicht auf das absolute Minimum beschränken muss. Für diese anspruchsvolle Aufgabe könnte das strapazierte Wort von der "Schule der Nation" eine ganz neue Bedeutung erhalten.