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Glas ist nicht gleich Glas Wirtschaftliche Entwicklung der Glasindustrie

Aktualisiert: 30.11.2021, 10:11
Glas spielt in vielen Lebensbereichen eine wichtige Rolle für die Menschen
Glas spielt in vielen Lebensbereichen eine wichtige Rolle für die Menschen (Foto:Pixabay.com © barbaracascao)

Bei Glas handelt es sich um den nahezu einzigen von Menschen erschaffenen Werkstoff, der seit mehreren Jahrtausenden in unterschiedlichster Form in Verwendung ist. Vor allem in Deutschland hat die Glaserzeugung eine lange Tradition. In keinem anderen Land auf dem Kontinent gibt es so viele Unternehmen, die sich auf die Produktion von Glas spezialisiert haben. Die entscheidende Frage dabei lautet: Ist das in der heutigen Zeit noch lukrativ oder handelt es sich dabei um ein wirtschaftliches Auslaufmodell?

Glas ist nicht gleich Glas

Wer sich dem Thema Glas aus wirtschaftlicher Perspektive nähern möchte, sollte sich zunächst mit dem Werkstoff an sich beschäftigen. Denn dadurch wird rasch klar, dass es viele unterschiedliche Glasarten gibt und sich dadurch im Laufe der Geschichte verschiedene Branchen entwickelt haben.

Im Gegensatz zu Bronze oder Eisen ist keine einzelne Epoche nach Glas benannt. Dennoch blickt der Werkstoff mittlerweile auf eine Geschichte von mehr als 9.000 Jahren zurück und hat, ausgehend von der ursprünglich händischen Fertigung, seit einigen Jahrhunderten den Weg in die industrielle Erzeugung gefunden.

Glas spielt nicht nur eine wichtige Rolle in unserem privaten Alltag, sondern ist unter anderem auch in der Forschung und Wissenschaft sowie in der Architektur und in diversen zukunftsträchtigen Branchen nicht mehr wegzudenken. Es wird ausschließlich aus Rohstoffen hergestellt, die auch hierzulande vorkommen beziehungsweise produziert werden.

Glas ist außerdem zu 100 Prozent wiederverwertbar, indem die Scherben als Komponente zur Produktion von neuem Glas eingesetzt werden. Wie weit das Recycling geht, lässt sich an der Tatsache erkennen, dass Scherben mittlerweile Sand als Hauptkomponente bei der Erzeugung abgelöst haben.

Die deutsche Glasindustrie auf einen Blick

Wer sich mit der wirtschaftlichen Entwicklung der Glasindustrie in Deutschland befassen möchte, sollte außerdem einen Blick in den Jahresbericht des Bundesverbandes der Glasindustrie (BV Glas) werfen, dem sich über 80 Prozent der in Deutschland ansässigen Glas produzierenden Unternehmen angeschlossen haben.

Insgesamt zeigt sich hier im Jahr 2020 gegenüber dem Vorjahr eine leicht rückläufige Tendenz. Diese ist jedoch vor allem mit der auftretenden Corona-Pandemie und den damit verbundenen Einschränkungen auf das Arbeitsleben ab März 2020 zu begründen.

Im Jahr 2020 waren insgesamt 53.690 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Glasindustrie beschäftigt. Der Gesamtumsatz belief sich dabei auf knapp 9,4 Milliarden Euro. Das entspricht einem Rückgang zum Vorjahr von 4,6 Prozent. Die Ausfuhrquote lag bei 53,4 Prozent, während die Einfuhrquote 47,8 Prozent betrug.

Die Branche gliedert sich in insgesamt sechs Teilbereiche mit den folgenden Anteilen am Gesamtumsatz auf:

·         Flachgasveredelung (39,1 %)

·         Behälterglas (21,9 %)

·         Spezialglas und technische Gläser (14,4 %)

·         Glasfasern (10,5 %)

·         Flachglasherstellung (10,0 %)

·         Sonstiges Hohlglas (4,1 %)

Trendumkehr im Jahr 2021

Noch liegen die wirtschaftlichen Daten der Branche für das Jahr 2021 noch nicht vollständig vor. Doch einzelne Meldungen geben Anlass zur Hoffnung, dass es schneller als erwartet wieder zu einer Trendumkehr kommen könnte.

Das zeigt sich zum Beispiel anhand des in Österreich ansässigen Glasbearbeitungsmaschinen-Herstellers LiSEC. Das Unternehmen ist bereits seit über 60 Jahren auf dem Markt, beschäftigt weltweit über 1.250 Personen und erzielt mit einer Exportquote von über 90 Prozent einen jährlichen Umsatz von 224 Millionen Euro (2019). Im Februar 2021 verzeichnete das Unternehmen zum zweiten Mal seit der Gründung einen Auftragseingang von über 30 Millionen Euro. Damit nicht genug, konnte dieser Wert im August 2021 durch neue hochautomatisierte Projekte in Ländern wie Polen, Neuseeland sowie in den USA und Bosnien mit einem Auftragseingang von 34,5 Millionen Euro sogar noch einmal getoppt werden. Das bedeutete einen neuen Auftragseingangsrekord bei LiSEC.

Import und Export leicht rückläufig

Diese Einzelerfolge sollen jedoch nicht über die Tatsache hinwegtäuschen, dass sowohl die Importe als auch die Exporte von Glas im Jahr 2020 leicht rückläufig waren. Der Export-Überschuss konnte dabei dennoch um mehr als fünf Prozent zulegen. Das veranschaulicht vor allem die Krisenfestigkeit der heimischen Unternehmen in den schwierigen Zeiten der Corona-Pandemie.

Vor allem die USA rücken dabei als Handelspartner immer mehr in den Hintergrund. Zum zweiten Mal seit dem Jahr 2010 belegen sie beim Export hinter Frankreich und den Niederlanden nur mehr den dritten Platz. Und auch beim Import wurden sie von Polen überholt und auf den dritten Platz verwiesen.

Im Gegensatz dazu ist der Handel mit China weiterhin konstant. Seit dem Jahr 2008 handelt es sich bei der asiatischen Großmacht um den wichtigsten Importeur von Glaswaren. Beim Export liegt China aktuell auf Rang 8 und ist damit gegenüber dem Jahr 2019 um drei Ränge zurückgefallen.

Die Europäische Union ist für Deutschland jedoch nach wie vor der wichtigste Markt. Fast zwei Drittel der Einfuhr und Ausfuhr fand innerhalb dieses Wirtschaftsraumes statt.

Die Top-3-Ausfuhrländer:

·         Frankreich (10,7 %)

·         Niederlande (8,5 %)

·         USA (8,1 %)

Die Top-3-Einfuhrländer:

·         China (10,8 %)

·         Polen (10,0 %)

·         USA (8,6 %)

Der Export-Überschuss konnte auch im coronabedingten Krisenjahr 2020 zulegen. Das ist das Ergebnis der wirtschaftlichen Standhaftigkeit der heimischen Betriebe.
Der Export-Überschuss konnte auch im coronabedingten Krisenjahr 2020 zulegen. Das ist das Ergebnis der wirtschaftlichen Standhaftigkeit der heimischen Betriebe.
(Foto: Pixabay.com © 46173)

Welche Branchen sind die wichtigsten Kunden der Glasindustrie?

Der mit Abstand größte Abnehmer von Glas ist die Bauindustrie. Mit einem Anteil von 49,3 Prozent wandert fast die Hälfte des produzierten Glases in diesen Sektor.

Ebenfalls von großer Bedeutung ist Glas für die Ernährungs- und Getränkeindustrie. Vor allem die Diskussion rund um den Klimawandel und knapper werdende Rohstoffe haben hier in den letzten Jahren zu einem Umdenken geführt und Glas als Verpackungsmaterial wieder modern gemacht. 17,4 Prozent des Glases wird von den Produzenten dieses Industriesektors abgenommen.

Auf den weiteren Plätzen folgen die Chemie-, Pharma- und Kosmetikbranche mit 13,1 Prozent sowie die Automobilindustrie mit 7,6 Prozent.

Die Aussichten in den nächsten Jahren sind positiv

Glas ist als Rohstoff nach wie vor nicht ersetzbar. Das heißt: Es ist unwahrscheinlich, dass in den nächsten Jahren eine neue Entwicklung dazu führen könnte, die positiven Eigenschaften des Glases mit Hilfe anderer Materialien oder Verfahren zu erreichen.

Insofern handelt es sich bei Glas um ein Material, das von den unterschiedlichen Industrien auch in den nächsten Jahren stark nachgefragt werden wird. Selbst Corona hat es nicht geschafft, hier einen nachhaltigen Abwärtstrend zu bewirken.