Neue Studie Warum die niedrige Frauen-Erwerbsqoute problematisch ist

Berlin - Frauen haben gegenüber Männern im Job häufig das Nachsehen: Sie verdienen im Schnitt weniger und machen auch seltener Karriere. Grundsätzlich sind Frauen auch seltener berufstätig – selbst in hoch entwickelten Volkswirtschaften wie Deutschland. „Die Geschlechterkluft im deutschen Arbeitsmarkt hält sich hartnäckig“, beklagt die Internationale Arbeitsorganisation (ILO) in einer neuen Studie. Das müsse sich dringend ändern. Ein Überblick:
Wie sieht es mit der Erwerbsbeteiligung von Frauen in Deutschland aus?
Die ILO schätzt, dass die Erwerbsquote der Frauen hierzulande 54,5 Prozent beträgt. „Damit liegt sie 11,6 Prozentpunkte unterhalb der männlichen Erwerbsquote“, schreiben die Genfer Experten. Allerdings sei diese Lücke kleiner als im weltweiten Durchschnitt, wo sie 26,7 Prozentpunkte beträgt. Rund um den Globus sind etwa drei von vier Männern erwerbstätig, aber nur zwei von vier Frauen.
Warum ist eine niedrige Frauen-Erwerbsquote überhaupt ein Problem?
Arbeit und Einkommen sind der Schlüssel zu einem selbstbestimmten Leben. Es geht hier also ganz grundsätzlich um die Gleichberechtigung von Männern und Frauen. Viele Frauen in Deutschland würden gern arbeiten – können es aber nicht, weil es zum Beispiel an Kindergartenplätzen fehlt und sie sich um die Kinder kümmern müssen. Doch das ist nicht alles: Eine Gesellschaft, die die Talente und Qualifikationen der Frauen nur unzureichend nutzt, verschleudert Ressourcen.
Lässt sich das beziffern?
Die anhaltende Geschlechterkluft im deutschen Arbeitsmarkt verursache der Volkswirtschaft Schäden in Milliardenhöhe, haben die ILO-Fachleute errechnet. Wenn die Lücke bis zur Mitte des kommenden Jahrzehnts um ein Viertel geschlossen würde, könnte den Schätzungen zufolge die deutsche Wirtschaftsleistung um fast 67 Milliarden Euro steigen. Das entspräche einem zusätzlichen Wachstum von 1,8 Prozent. Um dies zu erreichen, müssten 900.000 Frauen mehr in Arbeit gebracht werden. Die 20 wichtigsten Industrie- und Schwellenländer (G20) haben sich dazu verpflichtet, ihre jeweilige Geschlechterkluft bei der Erwerbstätigkeit von Männern und Frauen bis 2025 um ein Viertel zu vermindern.
Wie lässt sich die Lücke denn schließen?
Sonntagsreden helfen hier nicht weiter – die Politik muss schon konkrete, auch kostspielige Maßnahmen beschließen. Unter anderem gilt es, die Vereinbarkeit von Beruf- und Familienleben zu verbessern, zum Beispiel durch mehr Kindergartenplätze und Ganztagsschulen. In vielen Betrieben findet zudem nach wie vor eine stille Diskriminierung von Frauen statt. Sie werden womöglich gar nicht erst eingestellt oder in ihren beruflichen Entwicklungsmöglichkeiten eingeschränkt.
Die ILO empfiehlt auch, typische Frauenberufe – etwa in der Pflege – aufzuwerten. Andere internationale Organisationen wie die Industrieländer-Vereinigung OECD, der Internationale Währungsfonds oder die Brüsseler EU-Kommission legen Deutschland regelmäßig nahe, das Ehegattensplitting im Steuerrecht abzuschaffen oder zumindest zu reformieren. Das Splitting setzt finanzielle Anreize für eine reduzierte oder gar keine Erwerbstätigkeit eines Ehepartners, meistens der Frau.
Was ist überhaupt die ILO?
Die Internationale Arbeitsorganisation (Englisch: International Labour Organization, ILO) ist eine Sonder-Organisation der Vereinten Nationen mit Sitz in Genf. Ihre Aufgabe ist es, soziale Gerechtigkeit sowie Menschen- und Arbeitsrechte zu fördern. Die ILO gibt es seit 1919. Im Jahr 1969 erhielt sie für ihre Tätigkeit den Friedensnobelpreis.