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VW-Vertriebschef Axel Kalthoff VW-Vertriebschef Axel Kalthoff: Auswirkungen von Abgasskandal für Volkswagen noch überschaubar

Von Stephan Kaufmann 28.10.2015, 17:34
Zahlreiche Gebäude des Autoherstellers Volkswagen sind von der Staatsanwaltschaft Braunschweig durchsucht worden.
Zahlreiche Gebäude des Autoherstellers Volkswagen sind von der Staatsanwaltschaft Braunschweig durchsucht worden. AFP Lizenz

Berlin - Für die Steuerzahler kann der Skandal um gefälschte Abgaswerte bei Volkwagen noch teuer werden: Im dritten Quartal 2015 fuhr der Konzern einen Verlust von 3,5 Milliarden Euro ein. Es war der erste Quartalsverlust seit 15 Jahren. Hauptgrund für das Riesen-Minus waren Milliarden-Rückstellungen für kommende Rückrufe, Nachbesserungen und Eintausch manipulierter Motoren. Er gehe davon aus, dass die Beträge steuerlich absetzbar seien, sagte der Finanzvorstand des Konzerns, Frank Witter, am Mittwoch.

Erst Ende September hatte der Volkswagen-Konzern zugegeben, jahrelang die Abgaswerte einiger seiner Diesel-Modelle manipuliert zu haben. Der Skandal spiegelt sich daher in den Autoverkäufen im dritten Quartal – also zwischen Juli und September – noch nicht wider: Der Absatz ging nur leicht auf 2,44 Millionen Fahrzeuge zurück, teilte VW am Mittwoch mit. Grund waren schlechtere Geschäfte in Schwellenländern wie Brasilien und Russland, auch im wichtigsten Markt China setzte Volkswagen weniger ab.

Der Umsatz des Konzerns legte um mehr als fünf Prozent auf rund 51,5 Milliarden Euro zu. Volkswagen-Vertriebschef Axel Kalthoff betonte, dass der Skandal bisher weder Absatz noch Bestellungen in Summe negativ beeinflusse. Gleichzeitig räumte er ein, dass die jüngste Marktforschung Vertrauensverluste zeige. Unklar sei, ob und falls ja wann sich das im Verkauf zeige.

Den Titel als weltgrößter Autobauer hat Volkswagen jedenfalls wieder an den japanischen Konkurrenten Toyota verloren: In den ersten neun Monaten des laufenden Jahres verkauften die Wolfsburger 7,44 Millionen Fahrzeuge, die Japaner dagegen 50.000 Autos mehr.

Ohne die so genannten „Sondereinflüsse“ – also die zu erwartenden Kosten aus der Diesel-Affäre – machte Volkswagen im dritten Quartal einen Gewinn vor Steuern und Zinsen von 3,2 Milliarden Euro – darin war das Plus aus den Beteiligungen in China in Höhe von 3,8 Milliarden Euro noch gar nicht enthalten. Dem gegenüber stehen nun jedoch die Rückstellungen für den Manipulations-Skandal: 6,7 Milliarden legt Volkswagen zurück, um seine Abgas-Manipulation wiedergutzumachen.

Minus von 1,7 Milliarden Euro im dritten Quartal

Unterm Strich blieb im dritten Quartal ein Minus von 1,7 Milliarden Euro. Insgesamt verdiente Volkswagen damit in den ersten neun Monaten des laufenden Jahres knapp vier Milliarden Euro. „Die Zahlen zeigen einerseits die starke Substanz des Volkswagen Konzerns, andererseits treten ersten Auswirkungen der derzeitigen Situation zu Tage“, sagte Konzernchef Matthias Müller.

Tatsächlich dürfte der Verlust bloß eine „erste Auswirkung“ des Skandals sein. Denn nicht nur müssen allein in Europa acht Millionen VW zurückgerufen, nachgebessert oder in neue Modelle eingetauscht werden. Weltweit sind elf Millionen Autos betroffen. Insbesondere in die USA drohen nun teure Rechtsstreitigkeiten und Strafen von bis zu 16 Milliarden Dollar. Dafür wurde noch kein Geld zurückgelegt.

Auch anderen Staaten ermitteln gegen die Niedersachsen. Am Mittwoch wurde bekannt, dass der spanische Staatsgerichtshof ein Verfahren gegen Volkswagen einleitet und prüft, ob der Konzern unrechtmäßig Subventionen erhalten oder gegen Umweltschutzgesetze verstoßen hat. „Es bestehen Rechtsrisiken, deren Bewertbarkeit zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht gegeben ist“ und die zu „erheblichen finanziellen Belastungen führen“ können, teilte VW am Mittwoch mit.

Experten schätzen Gesamtkosten auf 20 bis 30 Milliarden Euro

Im Klartext: Mit 6,7 Milliarden Rückstellungen wird es nicht getan sein. Experten schätzen die Gesamtkosten auf 20 bis 30 Milliarden Euro. VW-Finanzvorstand Witter sagte am Mittwoch, die Folgen der Abgas-Affäre seien „enorm, aber zu managen“. Um die Ausgaben zu bestreiten, kann Volkswagen zum einen auf seine üppigen Barreserven zugreifen – per Ende September verfügte der Konzern über flüssige Mittel über knapp 28 Milliarden Euro, auch wegen des Verkaufs seiner Suzuki-Beteiligung.

Daneben verschärft der Vorstandsvorsitzende Müller nun den Sparkurs im Konzern. Und schließlich könnten auch die Steuerzahler leiden: Die Rückstellungen für die Nachrufe sind nach Worten des VW-Finanzvorstands Wille steuerlich absetzbar, senken also den Gewinn des Unternehmens, der daher weniger Steuern zahlen muss.

Nicht absetzbar sind laut Wille allerdings Strafzahlungen oder Bußgelder, die dem Konzern wegen Umweltvergehen drohen. „Ob die Rückstellungen steuerlich wirksam sind, ist unklar, aber durchaus möglich“, sagte Frank Schwope, Aktienanalyst bei der NordLB. Letztlich müsse man auf das Urteil von Wirtschaftsprüfern warten.

An der Börse wurden die jüngsten Volkswagen-Verluste eher positiv aufgenommen. Denn bereits im September hatte der Konzern Rückstellungen über 6,5 Milliarden Euro bekanntgegeben, die nun nur leicht auf 6,7 Milliarden erhöht worden sind. Daneben läuft das Kerngeschäft gut: Die Konzernmarke VW erhöhte im dritten Quartal ihren Betriebsgewinn ohne Sondereinflüsse um 17 Prozent, die Rendite stieg von 2,8 auf 3,0 Prozent. (mit Reuters)

Das Image des Autoherstellers hat großen Schaden genommen.
Das Image des Autoherstellers hat großen Schaden genommen.
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