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Rückruf bei Volkswagen Rückruf bei Volkswagen: Manipulierte VW-Autos dürfen weiterfahren

Von Frank-Thomas Wenzel 15.10.2015, 15:21
Symbolbild
Symbolbild AP Lizenz

Anfang nächsten Jahres soll die größte Rückrufaktion in der deutschen Automobilgeschichte beginnen. 2,4 Millionen Pkw des Volkswagen-Konzerns müssen in die Werkstätten, um die Abschaltung der Abgasreinigung aufzuheben und die Emissionen der Fahrzeuge zu drücken. In der EU sind davon 8,5 Millionen Autos betroffen. Umweltschützern geht die geplante Umrüstung nicht schnell genug. Sie drohen mit Klagen.

Es handele sich um einen „verpflichtenden Rückruf“ des Kraftfahrtbundesamtes (KBA), sagte Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU). Die Behörde habe festgestellt, dass in Fahrzeugen des Wolfsburger Unternehmens eine „unzulässige Software zur Abschaltung der Abgasreinigung“ verwendet werde. Es handelt sich um Wagen der  Marken VW, Audi, Seat, Skoda und um eine Reihe von  Nutzfahrzeugen, die seit 2008 zugelassen wurden und von Diesel-Motoren des Typs EA 189 angetrieben werden. Der Großteil davon fällt unter die Abgasnorm Euro 5.  Der Konzern betonte, die Wagen seien aber technisch sicher und fahrbereit. Die Halter müssen zunächst einmal nicht aktiv werden, sie werden von Volkswagen angeschrieben. Auch sollen ihnen keine Kosten entstehen. Alle neuen Modelle mit Euro-6-Motoren sind nach Unternehmensangaben nicht betroffen.

So soll die Rückruf-Aktion ablaufen

Dobrindt erläuterte den geplanten Ablauf der Aktion: Bis Ende des Monats müsse Volkswagen dem KBA, die neue Software für die Aggregate mit zwei Liter Hubraum präsentieren. Bis Ende November sollten die „genauen technischen Maßnahmen“ für 1,2- und 1,6-Liter-Motoren präsentiert werden. Die Aktion werde erst im Januar 2016 beginnen. Zuerst kommen die Fahrzeuge dran, bei denen es nur ein Update für die Programme des Bordrechners geben wird. Erst im September sollen dann die komplizierteren Umrüstungen der Pkw mit kleineren Motoren erfolgen. Laut VW-Chef Matthias Müller sind unter anderem neue Einspritzsysteme und Katalysatoren nötig. Der von der deutschen Behörde nun angeordnete Rückruf entspricht genau dem Ablauf, den Müller schon vor einigen Tagen vorgeschlagen hatte. Der VW-Chef hatte angekündigt, der Rückruf werde sich voraussichtlich bis Ende 2016 hinziehen. Ein Grund seien die vielen verschiedenen Kombinationen des EA- 189-Motors mit Getrieben sowie nach Ländern spezifische Auslegungen. Deshalb würden Tausende Lösungen benötigt, so Müller. 

Jürgen Resch gefällt der Zeitplan überhaupt nicht. „Wir verlangen deutlich kürzere Fristen“, sagte der Geschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe dieser Zeitung. Notfalls wolle seine Organisation vor die Gerichte ziehen.  Die Drohung zielt darauf ab, auf eine vorläufige Stilllegung von Fahrzeugen hinzuwirken. Resch räumt ein, dass dieses Druckmittel benutzt werden soll, damit Volkswagen mehr Geld in die Hand  nehme, um eine zügige Umsetzung zu erreichen.  Zudem fordert er, dass der Rückruf streng überprüft wird. Es müsse sichergestellt werden, dass es sich nicht nur „um eine kleine Verbesserung“ handele, sondern dass die Grenzwerte für die Fahrzeuge auch verbindlich eingehalten werden. Schließlich liege die Vermutung nahe, dass Volkswagen weiterhin versuche zu schummeln.  Resch hat Europas größtem Autobauer schon mehrfach vorsätzliche Körperverletzung vorgeworfen. Die 2,4 Millionen Fahrzeuge hierzulande erfüllen bei den Stickoxiden nur bei offiziellen Tests die vorgegebenen Werte. Beim Einsatz auf der Straße liegen die Emissionen deutlich höher – Stickoxide führen zu Atemwegserkrankungen und stehen im Verdacht Krebs auszulösen. Volkswagen hat zugegeben, dass weltweit elf Millionen Autos von den Abgasmanipulationen betroffen sind. Für Rückrufe hat der Konzern 6,5 Milliarden Euro zur Seite gelegt. Vieles spricht aber dafür, dass die Summe letztlich noch deutlich höher ausfällt.

Schärfere Abgastests geplant

Derweil hat die EU-Binnenmarkt-Kommissarin Elzbieta Bienkowska angekündigt, noch in diesem Monat mit der Einführung schärferer und realistischerer Abgastests zu beginnen. Es gehe darum, den Ausstoß von Stickoxiden im tatsächlichen Autoverkehr zu messen. „Die Zeit der Labortests ist vorbei“, sagte sie der Bild-Zeitung. Bereits im Frühjahr hatten sich die EU-Mitglieder prinzipiell auf die Einführung von RDE-Tests  (Real Driving Emissions) bei der Zulassung neuer Pkw-Typen verständigt. Dabei werden die Emissionswerte nicht auf Prüfständen, sondern auf der Straße gemessen.  Doch Resch sieht auch hier Probleme: Wenn den Autobauern sämtliche Parameter bekannt seien, könnten sie auch unter RDE-Bedingungen mittels Software den Abgasausstoß bei den Tests nach unten manipulieren. „Das ist dann lediglich ein Muster ohne Wert“, betont der DUH-Geschäftsführer. Er macht sich  dafür stark, dass die Behörden die Testbedingungen geheim halten – dies wird in den USA seit langer Zeit praktiziert. Resch: „Damit bleibt ein Überraschungseffekt erhalten.“ 

Derweil hat Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD) eine Diskussion über Steuervorteile für Dieselkraftstoff losgetreten. „Eine Anhebung der Steuersätze für Dieselfahrzeuge steht für mich nicht auf der politischen Agenda“, erklärte die SPD-Politikerin am Donnerstag. Zuvor hatte sie im ZDF-Morgenmagazin gesagt, man könnte über eine Erhöhung nachdenken. Hendricks sagte, diese Äußerung habe „Anlass für missverständliche Interpretationen“ gegeben .Hierzulande wird auf Dieselkraftstoff eine deutlich niedrigere Energiesteuer als auf Benzin erhoben. Gleiches geschieht noch in Frankreich. Doch die dortige Regierung hat angekündigt, die Diesel-Privilegien zu reduzieren und die Steuer auf Benzin zu senken.