Viele Klagen und Genehmigungsstau Viele Klagen und Genehmigungsstau: Ausbau der Windenergie in Sachsen-Anhalt kommt fast zum Erliegen

Halle (Saale) - Deutschland will aus der Kohle-Energie aussteigen, doch just in diesem Moment bricht der Markt für neue Windenergieanlagen zusammen. „Es gibt einen dramatischen Einbruch beim Bau neuer Anlagen“, sagt Christoph Zipf, Sprecher des Bundesverbandes Windenergie.
Eine Auswertung der Zahlen der Bundesnetzagentur durch das „Internationale Wirtschaftsforum Regenerative Energien“ ergibt folgendes Bild: Von Januar bis Mitte Juli 2019 wurden in Deutschland nur 97 Anlagen an Land mit einer Gesamtleistung von 323,5 Megawatt neu installiert. In einigen Bundesländern wie Sachsen und Hessen kam in diesem Jahr bisher nicht ein Windrad ans Netz. „100 Anlagen wurden früher jährlich in einzelnen Ländern wie Sachsen-Anhalt errichtet“, so Zipf.
Nur 14 neue Windräder in Sachsen-Anhalt
In Sachsen-Anhalt wurden von Januar bis Mitte Juli 2019 lediglich 14 Windräder aufgebaut - sechs in Gröbzig (Landkreis Anhalt-Bitterfeld), sechs in Schützberg (Landkreis Wittenberg) und zwei in Hemstedt (Altmark).
Es gibt laut Windenergieverband mehrere Gründe für den Einbruch: neue Förderbedingungen, Klagen und ein Flächenengpass. Anfang 2017 wurde das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) grundlegend reformiert. Die Projekte werden nun ausgeschrieben, bei der Windkraft sind es jährlich 2800 Megawatt.
Laut Gesetz wurden sogenannte Bürgerenergie-Anlagen bevorzugt, ohne dass diese bereits eine behördliche Genehmigung vorweisen mussten. „Bei den Behörden gibt es nun einen Genehmigungsstau“, erläutert Verbandssprecher Zipf. Einige Projekte wurden auch aufgegeben, weil sie keine Genehmigung erhalten.
Verband: Umweltschützer blockieren Bau neuer Windräder
Nach Angaben des Verbandes blockieren vermehrt Umwelt- und Naturschützer neue Anlagen. „300 Anlagen in Deutschland werden beklagt“, so Zipf. Als mit Abstand häufigsten Klagegrund nennt eine Analyse des Verbandes den Natur- und Artenschutz. Zu 60 Prozent sind in diesen Fällen Umweltverbände der Kläger.
Allein der Leitfaden Artenschutz an Windenergieanlagen in Sachsen-Anhalt weist 37 geschützte Vogelarten - vom Baumfalke über den Rotmilan bis zum Zwergschwan - aus, die beim Bau neuer Anlagen berücksichtigt werden müssen. Hinzu kommen neun Fledermausarten.
Ein weiteres Hindernis ist der Platzmangel. Laut Verband werden beispielsweise in Nordrhein-Westfalen oder Sachsen nur wenige Flächen ausgewiesen.
Sachsen-Anhalt: Erlaubte Flächen für Windräder fast alle belegt
In Sachsen-Anhalt dürfen Windräder nur in sogenannten Vorranggebieten errichtet werden. Doch die ausgewiesenen Flächen sind laut Umweltministerium fast alle belegt. Auch die Potenziale durch das sogenannte Repowering, der Austausch alter Anlagen durch neue, leistungsstärkere, sind begrenzt. Ruth Brand-Schock, Managerin beim Windkraftanlagen-Herstellers Enercon, forderte zuletzt eine Ausweitung der Vorranggebiete. Bisher erstrecken sich die Vorranggebiete auf ein Prozent der Landesfläche, gefordert werden zwei Prozent.
Der Markteinbruch trifft Enercon hart. Das Unternehmen stellt in Magdeburg in mehreren Werken jährlich etwa 350 Anlagen her. Rund die Hälfte davon wird exportiert. Es gibt es Überkapazitäten. In den vergangenen Monaten hat der Hersteller bereits die Zahl der Beschäftigten in der Landeshauptstadt von rund 5000 auf 4000 reduziert, indem die Leiharbeits-Stellen abgebaut wurden. (mz)