Unverkäufliche Kohle? Vattenfall hat offenbar Probleme, zahlende Abnehmer für die Tagebaue und Kraftwerke in der Lausitz zu finden

Halle/MZ - Ein ernst gemeintes Angebot ist es ganz sicher nicht gewesen. Eher eine Werbe-Aktion, um Aufmerksamkeit zu erzielen. Als die Umweltorganisation Greenpeace im Oktober 2015 ankündigte, von Vattenfall die Braunkohlesparte in der Lausitz erwerben zu wollen, schüttelten die schwedischen Energiemanager wohl nur verwundert oder lachend den Kopf. Schließlich suchen sie einen neuen Eigentümer und keinen Bestatter für ihre Kraftwerke und Tagebaue. Zahlen wollten die Umweltschützer auch keinen Euro, sondern noch Geld für die Stilllegung. Schnell wurde Greenpeace aus dem Bieterkreis ausgeschlossen.
Bis heute nun sollen die verbliebenen Interessenten verbindliche Angebote abgeben. Gut möglich, dass Vattenfall-Chef Magnus Hall, der den Energieversorger künftig voll auf erneuerbare Energien ausrichten will, wieder nur mit dem Kopf schütteln kann. Denn die einst erhofften Einnahmen von zwei bis drei Milliarden Euro dürften wohl nicht zu erzielen sein. Vielmehr gibt es Gerüchte, dass die Angebote nicht über die „Greenpeace-Offerte“ hinaus gehen. Das wird zumindest von einer Käufer-Seite medial lanciert. Ist das nur Taktik oder sprechen dafür auch Fakten?
Tschechen interessiert
Vattenfall selbst äußert sich nicht zum Verkaufsprozess, der über die Investmentbank Citigroup abgewickelt wird. Nicht einmal die Bieter in der letzten Runde werden genannt. Mit den tschechischen Energie-Unternehmen CEZ und EPH und dem deutschen Versorger Steag haben drei Unternehmen selbst öffentlich ihren Hut in den Ring geworfen.
Zum Verkauf stehen die Kraftwerke Jänschwalde und Schwarze Pumpe (beide Brandenburg), Boxberg sowie ein Block der Anlage in Lippendorf (beide Sachsen). Außerdem will Vattenfall die fünf dazugehörigen Tagebaue loswerden. Knapp 8 000 Menschen arbeiten in der Lausitzer Kohlesparte. Diese war in der Vergangenheit sehr profitabel. Noch 2014 soll bei einem Umsatz von 2,3 Milliarden Euro ein Gewinn von 647 Millionen Euro erzielt worden sein.
Doch das ist passé. Die deutsche Energiewelt ändert sich radikal. Da immer mehr subventionierter Wind- und Sonnenstrom in den Netzen fließt, sank der Strompreis an der Leipziger Energiebörse EEX von rund 35 Euro für eine Megawattstunde auf nur noch 20 Euro je Megawatt. Dadurch büßen die Kohlekraftwerke massiv an Profitabilität ein, wie Vattenfall selbst einräumt. „In den kommenden Jahren dürften sie rote Zahlen schreiben“, sagt ein Branchenkenner der MZ. Jeder Euro weniger für die Megawattstunde koste Vattenfall 50 Millionen Euro Gewinn. Diese Zahlen würden sich zumindest aus den vergangenen Geschäftsberichten ergeben. Auch politisch gibt es weiter Gegenwind. Nach dem Weltklimagipfel in Paris soll weltweit der Ausstieg aus der Kohle vorangetrieben werden.
Die tschechische Energieholding EPH, hinter welcher der Milliardär Daniel Kretinsky steht, glaubt dennoch daran, mit Braunkohle künftig gute Geschäfte machen zu können. „Wir gehen davon aus, dass nach 2020 die Strompreise wieder steigen“, so ein EPH-Sprecher. Dann sollen die letzten Atomkraftwerke in Deutschland abgeschaltet werden. EPH-Chef Kretinsky gilt als kühler Rechner, der all seine Investments auf hohe Profitabilität trimmt. Schritt für Schritt baut er eine europäische Energieholding auf. Seit 2009 gehört auch die Mitteldeutsche Braunkohlengesellschaft (Mibrag) in Zeitz (Burgenlandkreis) zu seiner Gruppe.
Hier eine Notiz am Rande: Joachim Geisler, der wegen noch laufender Ermittlungen der Staatsanwaltschaft zum Mibrag-Verkaufs 2009 Anfang Februar als Mibrag-Chef zurückgetreten war, arbeitet für EPH weiter an führender Stelle. Dabei geht es offenbar darum, dass Geisler sein Fachwissen und Kontakte im Vattenfall-Deal einbringt.
Erfahrung im Kohlegeschäft bringt auch der zweite tschechische Kaufinteressent CEZ mit. Der staatliche Energieversorger erwirtschaftete trotz fallender Energiepreise eine Milliarden Euro Gewinn im vergangenen Jahr.
Bieter Nummer drei, der Energieversorger Steag aus Essen (Nordrhein-Westfalen), betreibt elf größere Kraftwerke in Deutschland. Hinter dem Unternehmen stehen mehrere Stadtwerke. Zu Vattenfall hüllt sich Steag bisher in Schweigen.
Stiftung als Alternative
Auf der Suche nach Alternativen mischen nach einem Bericht des „Handelsblattes“ nun auch die Bergbau-Gewerkschaft IG BCE und die Länder Brandenburg und Sachsen mit. Sie wollen, dass möglichst viele Jobs erhalten bleiben und später eine geordnete Rekultivierung der Tagebaue stattfindet. Dafür bringen sie ein Stiftungsmodell ins Spiel. Ein Fonds soll die Kraftwerke und Tagebaue übernehmen. Die Gewinne aus den ersten Jahren, sollen den Rückbau in 20 Jahren sichern. Als Betreiber der Anlagen könnten Steag oder EPH dabei wieder ins Spiel kommen, heißt es. Abgestimmt sind solche Szenarien oder Gedankenspiele offenbar weder mit den großen Bietern noch mit Vattenfall. Sollten die Schweden das Kapitel Braunkohle aber nicht durch einen Verkauf an einen privaten Investor beenden können, wird ein Plan B wie eine Stiftung nötig sein. (mz)