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Vanille 400 Prozent teurer Vanille 400 Prozent teurer: Wucher? Eisdielen erhöhen Preise

Von Steffen Höhne 08.03.2017, 10:00
Vanille-Eis gehört zu den beliebtesten Sorten der Deutschen.
Vanille-Eis gehört zu den beliebtesten Sorten der Deutschen. dpa

Halle (Saale) - Das beliebteste Eis der Deutschen ist Vanille - noch vor Schokolade. Keine andere Sorte wird laut dem Eisdielen-Verband Uniteis mehr verspeist. Wenn die Kunden in diesem Frühjahr zu ihrem Lieblingseisladen gehen, ist es gut möglich, dass sich der Kugelpreis erhöht hat.

Die Eisdiele Schmidt in Halle wird von 60 auf 70 Cent erhöhen. Seit 1952 produziert sie auf traditionelle Art Speiseeis. Doch Thomas Schmidt hat noch nicht erlebt, dass sich ein Rohstoff so stark verteuert hat. „Der Preis für Vanilleschoten geht durch die Decke“, sagt der Inhaber.

Auch der Merseburger Eishändler Christian Bianco wird vermutlich zehn oder 20 Cent pro Kugel mehr verlangen. „Nicht nur Vanille, auch die Preise für Milch, Kakao und Pistazien sind gestiegen“, erklärt der Italiener. Parallel dazu seien Fixkosten, etwa für Strom, durch die Decke gegangen.

Hauptanbau von Vanille auf Madagaskar

Was passiert ist, kann am besten Berend Hachmann, Inhaber des Hamburger Handelshauses Aust & Hachmann erklären: „Durch Missernten und auch Spekulationen hat sich der Preis für Vanille, je nach Qualität, seit 2014 etwa vervier- bis verfünffacht.“ Aktuell koste das Kilogramm Vanille aus Madagaskar etwa 500 US-Dollar (473 Euro). Gegenüber dem Vorjahr sei der Preis noch einmal um rund 100 US-Dollar gestiegen. Der Inselstaat vor der südostafrikanischen Küste ist der weltgrößte Produzent. Jede zweite Schote stammt von dort. „Die Ernte 2016 ist noch mal schlechter ausgefallen als vorgesehen“, so Hachmann. Zudem würden die Produzenten  Waren zurückhalten, da die Preise weiter steigen. Mit anderen Worten, es wird eine künstliche Verknappung hergestellt. Hachmann spricht auch von Spekulationen.

Um das zu verstehen, muss man allerdings auch die Vorgeschichte kennen. Von 2003 bis 2013 verharrten die Vanille-Preise auf einem historisch niedrigen Niveau. Laut der Firma Cook Flavoring lagen die Preise zeitweise bei 15 Dollar pro Kilo. Viele Bauern verringerten daher den Anbau. „Nun steigt die Anbaufläche weltweit wieder“, so Hachmann. Es würden von der Pflanzung bis zur ersten Ernte jedoch vier Jahre vergehen.

„Einen entscheidenden Einfluss auf den Eispreis hat die teure Vanille dennoch nicht“, sagt Annalisa Carnio vom Eisdielen-Verband Uniteis. Eine Kugel koste in Deutschland je nach Lage des Ladens und Größe der Kugel zwischen 70 Cent und 1,70 Euro.

Die Höhe der Miete für die Eisdiele und die Personalkosten seien entscheidende Betriebsausgaben. Steigende Immobilienpreise in Großstädten und der Mindestlohn hätten die Kosten in den vergangenen Jahren deutlich erhöht. Auch die vielerorts gestiegenen Strompreise würden in die Kalkulation mit einfließen. Daher könnten viele Eisdielen ihre Preise nicht „einfrieren“, so Carnio.

Die eiskalten Kugeln bestehen bis zu 70 Prozent aus Milch und jeweils zu zehn Prozent aus Sahne und Zucker. Das sind die Hauptrohstoffe. Nach Angaben von Händlern werden für fünf Kilogramm Vanille-Eis nur etwa 30 Vanille-Schoten (100 Gramm) benötigt.

Kurz: Der teure Rohstoff wird nur in sehr kleinen Mengen gebraucht. „Für einige Eis-Hersteller ist das aber der berühmte Tropfen, der das Fass zum Überlaufen bringt“, sagt Carnio. Beim Vanille-Preis fielen die Kostensteigerungen besonders auf. Die Eis-Expertin erwartet auch nicht, dass die Ladenbesitzer Vanilleschoten durch synthetische Aromastoffe  ersetzen. Denn das müsste beim Verkauf gekennzeichnet sein. Aus Vanille-Eis würde dann „Eis mit Vanille-Geschmack“.

Vanillin aus Holz gewinnen

Dennoch: Nicht nur kleine Eis-Hersteller, auch Bäckereien, Molkereien oder Süßwaren-Firmen kaufen größere Mengen Vanille ein. Diese verwenden teilweise in ihren Produkten auch künstliche Aromen oder Schoten geringerer Güteklasse. Nach Angaben von Udo Pollmer, Lebensmittelchemiker und Sachbuchautor zu Ernährung, wird aber auch „natürliches Vanillin“ aus anderen Pflanzen gewonnen.

Aus Fichten beispielsweise kann man aus 100 Kilogramm Holz drei Kilogramm Vanillin gewinnen, sagte Pollmer im „Deutschlandradio“. Dass in der Packung Vanilleeis mit dem Zusatz „natürliches Vanillin“ keine echte Vanille enthalten sei, bliebe dem Verbraucher auf den ersten Blick verborgen. (mz)