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Total Raffinerie in Leuna  Total Raffinerie in Leuna : Geschäftsführer Kroll geht in Ruhestand

Von Steffen Höhne 27.04.2015, 18:14
In der Total-Raffinerie in Leuna werden jährlich knapp elf Millionen Tonnen Erdöl zu Kraftstoff verarbeitet. Dieser wird an Tankstellen in ganz Mitteldeutschland ausgeliefert. Mit einem Umsatz von rund 7,5 Milliarden Euro ist das Unternehmen das größte in Sachsen-Anhalt.
In der Total-Raffinerie in Leuna werden jährlich knapp elf Millionen Tonnen Erdöl zu Kraftstoff verarbeitet. Dieser wird an Tankstellen in ganz Mitteldeutschland ausgeliefert. Mit einem Umsatz von rund 7,5 Milliarden Euro ist das Unternehmen das größte in Sachsen-Anhalt. Dpa Lizenz

Leuna - Viele Großunternehmen mit einem Milliarden-Umsatz gibt es in der ostdeutschen Wirtschaft nicht. Die Total Raffinerie in Leuna (Saalekreis) ist ein solcher Leuchtturm. Dass die deutsche Tochter des französischen Ölriesen von einem Ostdeutschen geführt wird, ist auch noch keine Selbstverständlichkeit. Acht Jahre leitete Reinhard Kroll die Geschicke des Standortes. Ende Mai gibt er aus Altersgründen den Posten des Geschäftsführers an seinen Kollegen Willi Frantz ab. Der heute 62-Jährige war wesentlich am Aufbau der neuen Raffinerie beteiligt und ist für ihren Erfolg einer der Garanten.

„Chemie ist mir etwas suspekt gewesen“

Dabei wollte der Chemiemanager eigentlich nie in die Chemie. In Haldensleben nördlich von Magdeburg geboren und aufgewachsen, machte er in der Schule mit seinen sehr guten Leistungen in Mathematik und Physik auf sich aufmerksam. „Chemie ist mir etwas suspekt gewesen“, sagte Kroll im vergangenen Jahr in einem MZ-Gespräch. Der Einserschüler nahm folgerichtig in Magdeburg ein Ingenieursstudium auf. Dass Kroll doch den Weg zum Erdöl fand, ist der DDR-Mangelwirtschaft zuzuschreiben. Nach dem Studium suchte er nicht nur eine Arbeit, sondern auch eine Wohnung zur Familiengründung. Beides bot nur das Chemie-Werk in Leuna. Was als „Notlösung“ begann, wurde eine 40-jährige stabile Beziehung - vielleicht sogar Liebe.

Nach der Wende wollte Kroll helfen, den Standort geordnet in die Zukunft zu führen. Mit 37 Jahren wurde er bereits Produktionsleiter der alten Raffinerie. Als 1992 die Entscheidung fiel, dass der damalige französische Konzern Elf eine neue Raffinerie errichtet, wurde Kroll mit sechs anderen Mitarbeitern nach Paris ins Projektteam „Leuna 2000“ geholt. Er half mit, die 4,3 Milliarden DM teure Anlage zu konstruieren. Er kennt quasi jeden Kessel und jedes Rohr. Nach dreijähriger Bauzeit nahm die Raffinerie 1997 die Arbeit auf, 2006 übernahm Kroll die Leitung. Von den mehr als 600 Mitarbeitern kann er den Großteil mit Namen begrüßen.

Warum die Total Raffinerie ein wesentlicher Kern der mitteldeutschen Chemie-Industrie ist und warum das Geschäft alles andere als einfach ist, lesen Sie auf Seite 2.

In Leuna wurden im Jahr 2013 etwa 10,8 Millionen Tonnen Erdöl verarbeitet. Es stammt größtenteils aus Russland und gelangt über die Pipeline „Druschba“ (Freundschaft) aus Samara westlich des Urals nach Mitteldeutschland. Die Versorgung läuft seit Jahrzehnten reibungslos. Nur einmal, Anfang 2007, versiegte der Ölstrom aus der 3 000 Kilometer langen Pipeline für einige Tage. Wegen eines politischen Streits stoppte Weißrussland kurzfristig die Durchleitung. Der Ingenieur Kroll erläuterte damals anschaulich, dass ein Tennisball, den man an der Quelle ins Rohr werfe, etwa nach drei Wochen in Leuna ankomme. Das nennt man Fachwissen.

Das Erdöl wird in Leuna vor allem zu Benzin, Diesel und Flugbenzin verarbeitet. Die Raffinerie versorgt nicht nur die Total-Stationen, sondern auch fast alle anderen Tankstellen in Mitteldeutschland mit Kraftstoff. Zudem beliefert sie umliegende Werke mit Rohstoffen, sie ist damit ein wesentlicher Kern der mitteldeutschen Chemie-Industrie.

Das Geschäft ist allerdings alles andere als einfach. Aufgrund rückläufigen Spritverbrauchs in Deutschland herrschen auf dem Markt Überkapazitäten. „Es ist ein knallharter Überlebenskampf“, sagt Kroll im Jahr 2012. Auch die Total Raffinerie mit einem Umsatz von 7,5 Milliarden Euro war in der Vergangenheit kurzzeitig vor der Verlustzone.

Kroll und sein Team trimmen die Anlage daher auf Effizienz. Seit dem Start 1997 wurden bereits knapp 500 Millionen Euro investiert. Nach Angaben des Total-Managers wurde etwa durch den Einbau neuer Technik erreicht, dass mehr Diesel hergestellt werden kann. Denn während der Absatz von Benzin sinkt, steigt der von Diesel noch. Seine Jahre in Paris haben dafür gesorgt, dass Leuna auch heute noch gute Kontakte in die Zentrale besitzt, wenn Investitionsentscheidungen anstehen.
Derzeit gibt es in Deutschland noch 13 Raffinerien. Stimmen die Prognosen, dass der Kraftstoffverbrauch - auch durch die Einführung von Elektro-Autos - weiter zurückgeht, so werden es in 20 bis 30 Jahren deutlich weniger sein. Um die Wettbewerbsfähigkeit von Leuna macht sich Kroll keinerlei Sorgen. Immer wieder betonte er, dass der Standort zu den modernsten Europas gehört.

Dass Kroll bereits Ende Mai sein Amt aufgibt, kam für viele Außenstehende überraschend. Amtsmüde wirkte der Manager, der stets ruhig und überlegt auftritt, nicht. Es waren offenbar ganz persönliche Gründe. Da „seine“ Raffinerie stark dasteht, kann Kroll sicher mit einem guten Gefühl in den Ruhestand gehen. (mz)

Reinhard Kroll war wesentlich am Aufbau der Raffinerie beteiligt.
Reinhard Kroll war wesentlich am Aufbau der Raffinerie beteiligt.
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