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Strafen für Schwarzfahrer werden erhöht Strafen für Schwarzfahrer werden erhöht: "Ich dachte sonntags ist gratis"

Von Jürgen Badstübner 03.07.2015, 14:54
Das höhere Strafgeld soll abschreckend wirken.
Das höhere Strafgeld soll abschreckend wirken. ZB Lizenz

Halle (Saale) - „Die Fahrscheine, bitte!“ - und schon laufen die Kontrolleure durch Bahnabteil, U-Bahn oder Straßenbahn-Wagen. Wer ein gültiges Ticket hat, kann dem gelassen entgegensehen. Schwarzfahrer aber müssen jetzt tiefer in die Tasche greifen. Da helfen auch die originellsten Ausreden wie „Ich dachte, sonntags ist gratis“ oder „Die Zugluft hat mir den Fahrschein aus der Hand gerissen“, nicht.

Zum 1. Juli wurde das „erhöhte Beförderungsentgelt“ angehoben - von 40 auf 60 Euro. Diesen Betrag muss zahlen, wer ohne Ticket erwischt wird oder seinen Fahrschein nicht ordnungsgemäß entwertet hat. Die letzte Erhöhung ist inzwischen zwölf Jahre her.

Zahl der Schwarzfahrer soll zurückgehen

Fast alle Verkehrsbetriebe haben die Umstellung jedoch nicht mehr rechtzeitig geschafft. Die Bahn AG wird in allen Regional- und Fernzügen erst vom 1. August an 60 Euro von Schwarzfahrern verlangen. „In einigen Verkehrsverbünden wurde das erhöhte Beförderungsentgelt aber bereits auf 60 Euro angepasst“, sagt Sachsen-Anhalts Bahnsprecherin Erika Poschke-Frost. Und sie ist optimistisch, dass die Zahl der Schwarzfahrer weiter zurückgehen wird. Der Grund: „Da bei neueren Ausschreibungen von Nahverkehrsleistungen eine Besetzung aller Züge mit Kundenbetreuern verlangt wird, wird es immer schwieriger, sich der Kontrolle der Fahrscheine durch das Personal zu entziehen“, sagt die Sprecherin. Und Achtung: In der Regel stellt die Bahn nach dem dritten Vorgang innerhalb von drei Monaten Strafantrag, wenn der Fahrgast keine plausible Erklärung für sein Handeln hat. Im Nahverkehr befördert die Bahn in Sachsen-Anhalt jährlich rund 21 Millionen Fahrgäste.

250 Millionen Miese durch schwarz fahren

Doch ist Schwarzfahren denn wirklich so ein großes Problem? Die Verkehrsunternehmen kostet es auf jeden Fall viel Geld. 250 Millionen Euro gehen ihnen jedes Jahr bundesweit durch nicht gekaufte Tickets verloren, schätzt der Verband der Verkehrsbetriebe (VDV). Und noch einmal 100 Millionen müssen sie in die Hand nehmen, um die Kontrolleure und deren Ausrüstung zu bezahlen.

Lesen Sie auf der nächsten Seite mehr über die Kriminalstatistik zu Schwarzfahrern und die Kritik an der Bußgeld-Erhöhung.

Die Kriminalstatistik listet fürs vergangene Jahr 271.119 Fälle von „Beförderungserschleichung“ auf, wie das Schwarzfahren in der Fachsprache des Strafgesetzbuches heißt - im Vergleich zu 2013 ein Anstieg um 15,2 Prozent. Laut VDV hat das aber hauptsächlich damit zu tun, dass immer intensiver kontrolliert wird. Denn gezählt werden kann natürlich nur, wer erwischt wird. Aber lässt sich das Problem mit 60 statt 40 Euro besser lösen? „Nach so vielen Jahren Stillstand sind 60 Euro ein deutlicher Schritt“, sagt Steffen Lehmann, Geschäftsführer des Mitteldeutschen Verkehrsverbundes (MDV) mit 220 Millionen Fahrgästen. Immerhin entstehe dem MDV, zum Verbundnetz gehören 19 Verkehrsunternehmen, durch das Schwarzfahren ein jährlicher Schaden von neun Millionen Euro. „Deshalb sind Schwarzfahrer für uns wirklich ein Problem“, betont Lehmann. 60 Euro seien angemessen und Wiederholungstäter würden strafrechtlich verfolgt.

Die pauschale Erhöhung um 20 Euro treffe die Falschen, meinen Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) und Pro Bahn. „Man muss versuchen, in irgendeiner Form zu differenzieren zwischen Leuten, die vorsätzlich ständig schwarzfahren, und Leuten, die am Automaten gescheitert sind“, sagt der Ehrenvorsitzende von Pro Bahn, Karl-Peter Naumann.

Das viel zu komplizierte Tarifsystem mit seinen regionalen Unterschieden mache es den Kunden unnötig schwer, an die richtige Fahrkarte zu kommen. Mal müssten die Tickets vor der Fahrt gekauft werden, mal in der Bahn, mal müssten sie abgestempelt werden, mal nicht, kritisiert auch vzbv-Expertin Marion Jungbluth.

Sie ist überzeugt, dass viele Schwarzfahrten gar nicht absichtlich passieren. Der Gesetzgeber sehe für solche Fälle eigentlich eine Kulanzregelung vor. Aber: Man stelle fest, dass Kontrolleure das Wort Kulanz gar nicht kennen.

Doch es gebe auch Ausnahmen. „Wurde das Ticket zu Hause nur vergessen oder steckt in einer anderen Jacke, gibt es auch einen Ermessensspielraum der Kontrolleure“, sagt der Geschäftsführer. Meist werde die Strafe dann auf sieben Euro reduziert. Beim MDV werden die neuen Bußgelder zum 1. August angepasst.

„Wir begrüßen die Erhöhung des Bußgeldes auf 60 Euro“, sagt Iris Rudolph, Sprecherin bei der Halleschen Verkehrs-AG (Havag). Jährlich würden etwa 24.000 Schwarzfahrer erwischt. Es gebe aber sicher eine Dunkelziffer, die sich schwer einschätzen lässt, so die Sprecherin. „Ich hoffe, dass die höheren Strafen für mehr Abschreckung sorgen“, sagt Iris Rudolph. Denn Schwarzfahrer seien immer auf Kosten der ehrlichen Menschen unterwegs. Auch bei der Havag werde das „erhöhte Beförderungsentgellt“ ab dem 1. August fällig.

„Wir sind froh darüber, dass der Großteil unserer Fahrgäste mit einem gültigen Fahrschein unterwegs ist“, sagt Mona Strauchmann, Sprecherin der Harzer Verkehrsbetriebe (HVB). Dennoch hätten die Kontrolleure im vergangenen Jahr 64 Schwarzfahrer ertappt. Die Erhöhung der Strafgelder, sie wurde bei der HVB bereits zum 1. Juli angepasst, findet die Sprecherin angemessen. „In absehbarer Zeit werden die Kontrollen noch verschärft“, sagt Strauchmann. (mz)