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Steueraffäre von Hoeneß Steueraffäre von Hoeneß: Telekom, Audi und Adidas halten Füße still

Von Frank-Thomas Wenzel 05.11.2013, 21:14
Bayern-Präsident Uli Hoeneß im Mai beim Champions-League-Finale in London.
Bayern-Präsident Uli Hoeneß im Mai beim Champions-League-Finale in London. dpa Lizenz

BErlin/MZ - Massive Kritik ernten die Top-Manager im Aufsichtsrat des FC Bayern München für ihr Festhalten an Uli Hoeneß. Das Münchner Landgericht hatte am Montag verkündet, dass Hoeneß im März 2014 der Prozess gemacht wird. Ihm wird vorgeworfen 3,2?Millionen Euro Steuern hinterzogen zu haben. Der Aufsichtsrat der FC Bayern AG erklärte daraufhin, dass Hoeneß sein Amt als Vorsitzender dennoch weiter ausüben soll. Im Aufsichtsrat sitzen die Chefs großer Konzerne: Martin Winterkorn (VW), Rupert Stadler (Audi) und Herbert Hainer (Adidas). Hinzu kommt der designierte Telekom-Boss Tim Höttges.

Die Staatsanwaltschaft München I durchsucht bayerische Finanzbehörden wegen des Verdachts der Verletzung des Steuer- und des Dienstgeheimnisses. Die Ermittler wollen herausfinden, wer Dokumente aus Hoeneß' Steuerakte an die Presse weiterleitete. Hoeneß hatte Strafanzeige gestellt. (dpa)

Hoeneß spekuliert im großen Stil an der Börse mittels eines Kontos in der Schweiz. Der damalige Adidas-Chef Robert Louis-Dreyfus habe ihn mit Millionen unterstützt. „Es war immer klar, das war ein Konto zum Zocken, für nichts anderes“, sagte Hoeneß im Mai 2013 der „Zeit“. Nach anfänglichen Gewinnen habe er aber hohe Verluste gemacht und seine Aktivitäten an der Börse zurückgefahren.

Deutschland und die Schweiz unterzeichnen ein neues Doppelbesteuerungsabkommen und vereinbaren Verhandlungen zur Legalisierung von nicht versteuerten deutschen Geldern auf Schweizer Bankkonten.

Beide Länder unterzeichnen ein Zusatzprotokoll. Geldanlagen von Bundesbürgern in der Schweiz aus den vergangenen zehn Jahren sollen danach von 2013 an pauschal mit 21 bis 41 Prozent besteuert werden - nicht wie zunächst vereinbart mit 19 bis 34 Prozent. Das Schweizer Parlament billigt das Abkommen im Mai, der Bundestag stimmt im Oktober zu.

Die von SPD und Grünen regierten Bundesländer lassen das Abkommen im Bundesrat scheitern.

Auch im Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat kommt keine Einigung zustande.

Hoeneß zeigt sich beim Finanzamt selbst an, die Staatsanwaltschaft München leitet ein Ermittlungsverfahren ein. Er hatte vergeblich auf das kurz zuvor gescheiterte Steuerabkommen gesetzt.

Hoeneß bekommt in seinem Haus am Tegernsee Besuch von den Ermittlern. Gegen ihn liegt ein Haftbefehl vor, der aber außer Vollzug gesetzt wird - angeblich gegen Zahlung einer hohen Kaution.

Das Nachrichtenmagazin „Focus“ macht den Fall öffentlich und berichtet unter Berufung auf die Staatsanwaltschaft und Hoeneß selbst.

Hoeneß schließt einen Rücktritt als Bayern-Präsident aus. In der Folge häuft sich die Kritik, auch Kanzlerin Angela Merkel rückt von Hoeneß ab. Geschlossen bleiben die Reihen beim FC Bayern.

Die „Süddeutsche Zeitung“ berichtet über den Haftbefehl und die Millionen-Kaution. Hoeneß besucht das Halbfinal-Hinspiel seines FC Bayern in der Champions League gegen den FC Barcelona und freut sich im Stadion über das 4:0.

Hoeneß gibt via „Zeit“ voller Reue Einblick in sein Seelenleben. Verbindungen seines Schweizer Kontos zum Rekordmeister schließt der Bayern-Präsident aber aus.

8:0 - Hoeneß bleibt Vorsitzender des Bayern-Aufsichtsrats. Vorerst: „Der Aufsichtsrat wird die Angelegenheit weiterhin beobachten und sich bei Vorliegen neuer Erkenntnisse mit dem Thema befassen“, heißt es in der offiziellen Erklärung.

Die 23. Meisterschaft darf gefeiert werden, und Hoeneß fährt beim Autokorso zum Marienplatz mit. Doch trotz aller Gesten und warmer Worte wirkt Hoeneß inmitten der Feiergesellschaft betrübt.

Selbst im Moment des großen Triumphes steht Hoeneß unter dem Eindruck der Steueraffäre. Fast schüchtern greift er nach dem 2:1 im Finale gegen Borussia Dortmund nach dem Champions-League-Pokal.

Das Triple ist perfekt: Nach Meisterschaft und Champions League holen die Münchner auch den DFB-Pokal.

Hoeneß stellt den neuen Trainer Pep Guardiola mit in München vor. Danach hält er sich öffentlich weiter zurück.

Uli Hoeneß rechnet in seiner Steuerangelegenheit mit einer baldigen Entscheidung. „Ich bin zuversichtlich, dass es eine gute Lösung gibt. Ich denke, in den nächsten zwei, drei Monaten wird es eine Entscheidung geben“, sagt er am Rande des Testspiels gegen den FC Barcelona.

Die Staatsanwaltschaft München erhebt Anklage gegen Uli Hoeneß wegen Steuerhinterziehung. Die Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts München muss nun über die Zulassung der Anklage und die Eröffnung des Hauptverfahrens gegen den Präsidenten des FC Bayern München entscheiden.

Die Pressestelle des Oberlandesgerichts gibt bekannt, dass die Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts München II die Anklage gegen Uli Hoeneß „unverändert“ zugelassen hat. Der erste Verhandlungstermin wird für den 10. März anberaumt.

Unter den Haushaltspolitikern des Bundestages dominiert Unverständnis über die anhaltende Unterstützung. Mit allzu offener Kritik halten sie sich aber zurück. „Ich verstehe Solidarität“, sagte der SPD-Politiker Johannes Kahrs der MZ. „Aber die Vertreter der Firmen müssen sich genau überlegen, welches Signal ihre jetzige Haltung sendet, was die eigene Unternehmenskultur angeht – und mit Blick auf den Prozessausgang auch, ob sie diese Haltung auf Dauer verantworten können.“

„Die Leute, die Hoeneß betrogen hat, sind immerhin die Eigentümer der Telekom“

Gerhard Schick (Grüne) nannte es „extrem verwunderlich, welche Maßstäbe Unternehmensvorstände im Fall Hoeneß anlegen“. Das gelte insbesondere für die Telekom, deren größter Aktionär die Steuerzahler sind. „Die Leute, die Hoeneß betrogen hat, sind immerhin die Eigentümer der Telekom“, so Schick.

In CDU und CSU ist man noch vorsichtiger. Der Aufsichtsrat des FC Bayern sei in der Pflicht, seine „Aufsichtsfunktion auch gegenüber dem Präsidenten“ auszuüben, sagte Michael Meister, Unions-Fraktionsvize für Finanzpolitik. Ob Hoeneß Bayern-Präsident bleiben könne, müsse der Verein entscheiden.

„Das unveränderte Festhalten an Hoeneß als Aufsichtsratschef ist nicht vermittelbar“

Christian Strenger, Experte für Unternehmensführung, lässt kaum ein gutes Haar an den Treuebekundungen. „Das unveränderte Festhalten an Hoeneß als Aufsichtsratschef ist nicht vermittelbar“, sagte er der MZ. Strenger spielt zudem auf die am Montag verbreitete Pressemitteilung des FC Bayern an. Die Einlassung, dass die Vorstände der Konzerne nicht die Aufgabe hätten, eine „Null-Toleranz-Politik“ gegen Hoeneß zu verfolgen, überzeuge nicht. Auch dass es eine solche Verpflichtung schon gar nicht „im Hinblick auf Pflichtverletzungen im Privatbereich“ gäbe, hält Strenger für nicht nachvollziehbar. „Die Geschäfte von Hoeneß waren keineswegs rein privater Natur.“ Die Steuerhinterziehung erfolgte per jahrelanger Börsenspekulationen, für die Hoeneß offenbar 20?Millionen Euro vom damaligen Adidas-Chef Robert Louis-Dreyfus geliehen bekam.

Hoeneß hoffte auf Abkommen mit der Schweiz

Strenger rät dazu, dass Hoeneß zumindest bis zum Ende des Gerichtsverfahrens eine Auszeit als Aufsichtsratschef nimmt, „um die Sachfragen angemessen zu klären und Kollateralschäden für die FC Bayern AG, aber auch für die Aktionärsunternehmen zu verhindern“.

Deutschland und die Schweiz wollten eigentlich nicht versteuertes deutsches Geld auf Schweizer Konten legalisieren. Darauf hoffte auch Uli Hoeneß. Doch das Abkommen scheiterte im Bundesrat. Hoeneß entschloss sich Anfang des Jahres zu einer Selbstanzeige. Schon damals stellten sich die Konzernchefs hinter Hoeneß. Die Telekom ist Hauptsponsor der Profi-Fußballmannschaft. Adidas rüstet die Kicker seit Jahrzehnten aus. Audi stellt ihnen Autos zur Verfügung. Zudem sind der Sportartikel-Konzern und die VW-Tochter mit zusammen 9,1 Prozent an der FC?Bayern AG beteiligt. 81,8 Prozent der Anteile liegen beim Verein FC Bayern. Hoeneß hat eine Doppelfunktion. Zum Posten des Aufsichtsratschefs der AG kommt der des Vereins-Präsidenten. Die Konzerne wollten sich gestern nicht weiter zum Fall äußern, sondern verwiesen unisono auf die Presseerklärung vom Montag.

Viele haben Hoeneß die Steuerhinterziehung längst verziehen

Insider gehen davon aus, dass den Unternehmen die Querelen um Hoeneß überhaupt nicht gefallen, sie aber auch aus Rücksichtnahme auf die Bayern-Fans zu ihm stehen. Er genießt unter Millionen Bayern-Anhängern hohes Ansehen. Viele haben Hoeneß die Steuerhinterziehung längst verziehen.

Dies könnte ihm auch vor Gericht helfen. Hoeneß und seine Anwälte setzen auf einen Deal. Sie wollen eine Haftstrafe verhindern. Das Gericht hingegen wird wohl alles daran setzen, beim Strafmaß einen Promibonus für Hoeneß zu vermeiden. Hilfreich könnte ein freiwilliger Rücktritt als Aufsichtsratschef sein. Immerhin bliebe Hoeneß dann noch Präsident des Vereins. Gut möglich, dass auch die Großsponsoren auf solch einen Gang der Dinge hoffen und damit nicht gezwungen wären, selbst doch noch zu intervenieren.