Solarkonzern Solarkonzern: Q-Cells-Berater sollen zahlen

Bitterfeld-Wolfen/MZ - Millionen für die Berater. Die hohen Honorare für externe Unternehmensberater und Anwälte waren beim ehemaligen Solar-Konzern Q-Cells aus Bitterfeld-Wolfen fast immer Thema auf den Aktionärstreffen. Auf der Hauptversammlung im März 2012, wenige Wochen vor der Insolvenz, fragten Aktionärsschützer Michael Kunert von der Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger und andere wieder einmal kritisch nach, ob die Millionen-Zahlungen angesichts der prekären Finanzlage wirklich nötig seien. Das Heer von Beratern konnte die Pleite jedenfalls nicht mehr abwenden. Dies könnte für sie jetzt noch ein teures Nachspiel haben.
Insolvenzverwalter Henning Schorisch prüft nach einem Bericht der Zeitung „Die Welt“ Ansprüche von mehr als 100 Millionen Euro gegen ehemalige Verantwortliche - darunter Vorstände und renommierte Beratungsfirmen wie McKinsey und KPMG. Dies wurde der MZ von Personen, die mit dem Vorgang vertraut sind, bestätigt.
Das Unternehmen Hanwha Q-Cells produziert Solarzellen in Thalheim (200 Megawatt Kapazität) und Malaysia (918 Megawatt). Die Gesamtproduktionskapazität im Jahr liegt damit deutlich über einem Gigawatt. Zum Vergleich: Dies entspricht etwa der Leistung von zwei großen Kohle-Kraftwerken. Thalheim ist mit 730 Mitarbeitern der größte Standort, im Werk in Malaysia arbeiten 450 Mitarbeiter. Q-Cells ist eine Tochter des südkoreanischen Konzerns Hanwha mit einem Jahresumsatz von knapp 30 Milliarden US-Dollar.
Die Gläubiger des im Mai 2012 pleitegegangenen Solar-Unternehmens Q-Cells SE sollen noch 2013 eine erste Abschlagszahlung aus der Insolvenzmasse erhalten. Für einen Großteil der 2 600 Forderungen würden 8,5 Prozent ausgezahlt, teilte der Insolvenzverwalter am Freitag mit. Insgesamt wurden Ansprüche in Höhe von mehr als 1,6 Milliarden Euro erhoben. Hanwha hatte bei der Übernahme im Herbst 2012 nicht die insolvente Q-Cells SE gekauft, sondern unter anderem die Fabriken, Patente und Markenrechte.
Der internationale Solarmarkt wird von chinesischen Produzenten dominiert. Zu den größten Produzenten gehören Yingli, JA Solar, Trina und Suntech (alle China) sowie First Solar (USA). Hanwha Q-Cells gehört zu den 20 größten Herstellern auf der Welt.
Konkret hat Schorisch am 28. August bereits Klage gegen die Kanzlei Hengeler Müller eingereicht, teilte ein Sprecher des Insolvenzverwalters mit. Dabei geht es offenbar um Schadenersatzforderungen wegen Abrechnungsfehlern. „Ob und inwieweit gegen weitere Berater oder Verantwortliche der damaligen Q-Cells SE Forderungen gestellt oder Klage erhoben wird, wird noch geprüft“, sagte der Sprecher der MZ lediglich.
Im Kern geht es in dem Streit um die Frage, wann der frühere Solarweltmarktführer Insolvenz hätte anmelden müssen. Schorisch ist offenbar der Meinung, dass dies bereits im Januar 2012 hätte erfolgen müssen. Damals gab das Landgericht Frankfurt einem Gläubiger recht, der gegen die Stundung einer Millionen-Anleihe geklagt hatte. Q-Cells legte dagegen Rechtsmittel ein. Schorisch macht nun laut „Die Welt“ geltend, dass die ausweglose Situation schon ab dem Urteil des Landgerichtes absehbar gewesen sei.
Q-Cells mit Vorstandschef Nedim Cen an der Spitze wollte damals den Rechtsweg aber voll ausschöpfen. Mit einer geglückten Umschuldung wollte das Unternehmen die Krise aus eigener Kraft bewältigen. Erst vor wenigen Wochen ist dem Solarkonzern Solarworld aus Bonn eine ähnliche Umschuldung, bei der die Gläubiger auf einen Großteil ihrer Forderungen verzichten, gelungen.
Aktionärsschützer Kunert begrüßt das Vorgehen des Insolvenzverwalters: „Es ist gut, dass nun noch einmal genau geprüft wird, ob mit dem Geld der Aktionäre sorgsam umgegangen wurde.“ Die Stundensätze von Beratern und Anwälten seien sehr hoch. Dass Cen den Rechtsweg ausschöpfen wollte, könne man ihm aber nicht vorwerfen. Roland Klose von der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz hält rückblickend das Vorgehen von Cen und die hohen Berater-Honorare für gerechtfertigt: „Das Management benötigt in einer solch schwierigen Situation Hilfe von externen Fachleuten.“ Anders ließen sich die komplizierten rechtlichen und finanziellen Fragen kaum klären.
Als Insolvenzverwalter ist Schorisch gesetzlich zur bestmöglichen Befriedung der Gläubiger verpflichtet. Diese haben inzwischen Forderungen von 1,6 Milliarden Euro bei der Global PVQ SE (ehemals Q-Cells SE) angemeldet. Erste Abschlagszahlungen aus der Insolvenzmasse von 8,5 Prozent sollen 2013 ausgezahlt werden. Die Mittel stammen vor allem aus der Kasse von Q-Cells und dem Verkauf des operativen Geschäftes an den koreanischen Konzern Hanwha. Bei dem neu gegründeten Unternehmen Hanwha Q-Cells arbeiten noch rund 780 Mitarbeiter von einst mehr als 1 200 Beschäftigten in Bitterfeld-Wolfen. Kommendes Jahr will die Firma in die schwarzen Zahlen kommen (die MZ berichtete am 31.08).
Durch die Rückforderung von Honoraren könnte nun die Insolvenzkasse von Global PVQ weiter gefüllt werden. Den Berichten zufolge, könnte Schorisch von den Beratern mindestens zehn Millionen Euro zurückfordern.
Auch die Ex-Vorstände Cen und Andreas von Zitzewitz sollen nach Angaben der „Welt“ verklagt werden, weil sie erst am 2. April 2012 Insolvenz angemeldet haben. Das Geld, das zwischen Januar und April abgeflossen ist, will Schorisch ebenfalls zurückfordern. In der Diskussion ist eine Summe von 100 Millionen Euro. Ob es dazu kommt, halten Experten jedoch für fraglich.
In der Insolvenzverwalter-Szene dürften die Klagen, sollten sie wirklich erhoben werden, für reichlich Aufregung sorgen. „Das ist ein grundsätzliches Problem“, sagt der Restrukturierungsberater einer überregionalen Kanzlei der „Wirtschaftswoche“. „Wenn Sie ein Krisenmandat übernehmen, stellt sich immer die Frage, wie bekomme ich die Honorarforderungen insolvenzfest.“ Sollte Schorisch Erfolg haben, sehen Sanierungspraktiker die Gefahr, dass die bei Insolvenzen erheblichen Risiken noch stärker in den Vordergrund rücken und Restrukturierer künftig zum denkbar frühesten Zeitpunkt die Reißleine ziehen
Aktionärsschützer Kunert sieht dies anders: „Firmenchefs und Beratern wird vielleicht endlich bewusst, dass sie nicht auf Kosten der Aktionäre sinnlos Geld verbrennen dürfen.“